
17. September 2025
BFH: Rückabwicklung Anteilsübertragung steuerlich wirksam
Inhaltsverzeichnis
Wenn Sie Gesellschaftsanteile übertragen (z. B. im Zugewinnausgleich) und beide Seiten vor oder beim Vertrag davon ausgingen, dass keine Einkommensteuer anfällt – sich das aber später als falsch herausstellt –, kann eine Rückabwicklung auf den ursprünglichen Zeitpunkt zurückwirken. Dann entfällt der Veräußerungsgewinn und die damit einhergehende Steuerbelastung rückwirkend.
Unter welchen Voraussetzungen eine steuerliche Rückwirkung bei der Rückabwicklung einer Anteilsübertragung möglich ist, hat der BFH im Urteil IX R 4/23 vom 09. Mai 2025 entschieden. In diesem Blogbeitrag stellen wir Ihnen das Urteil vor und geben Praxis-Tipps.
Sachverhalt: BFH Rückabwicklung einer Anteilsübertragung im Ehevertrag
Eheleute sind von der Zugewinngemeinschaft in die Gütertrennung gewechselt. Im Rahmen des Ehevertrags hat der Ehemann GmbH-Anteile auf die Ehefrau übertragen, um den Zugewinnausgleich zu erfüllen. Beide waren – nach steuerlicher Beratung – überzeugt, dass dabei keine Einkommensteuer entstehen würde.
Das Finanzamt sah das zutreffenderweise anders und besteuerte einen § 17-EStG-Veräußerungsgewinn im Vorauszahlungsbescheid. Denn insoweit lag ein tauschähnlicher Vorgang vor. Daraufhin kündigten die Ehegatten an, die Anteilsübertragung rückgängig zu machen und schlossen eine notarielle Änderungsvereinbarung. Die Rückabwicklung der Anteilsübertragung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) war dabei das zentrale Argument.
Zunächst hoben sie in der Präambel hervor, dass sie bei Abschluss des Ehevertrages übereinstimmend die Vorstellung gehabt hätten, die Übertragung der GmbH-Anteile zum Ausgleich der Zugewinnausgleichsforderung habe keine einkommensteuerrechtlichen Konsequenzen. Sodann fassten sie den Ehevertrag neu und regelten, dass lediglich Barmittel zum Ausgleich des Zugewinnanspruchs zu leisten seien, wobei diese Beträge teilweise gestundet wurden. Die Ehefrau übertrug die Anteile auf den Ehemann zurück.
Das Finanzamt erfasste in dem zusammenveranlagten Einkommensteuerbescheid – wie in dem Vorauszahlungsbescheid – einen Veräußerungsgewinn und vertrat die Auffassung, dass die Rückabwicklung durch die Änderungsvereinbarung kein rückwirkendes Ereignis darstelle.
Das Finanzgericht gab der Klage statt. Dagegen legte das Finanzamt Revision ein. Es trug vor, dass der Rechtsgrund für die Rückgängigmachung der Anteilsveräußerung beim Wegfall der Geschäftsgrundlage im ursprünglichen Rechtsgeschäft “angelegt” sein müsse, indem sich dies im Vertragswortlaut widerspiegele. Da dies nicht der Fall sei, komme eine rückwirkende Änderung nicht in Betracht.
BFH Urteil IX R 4/23: Steuerliche Rückwirkung bei Rückabwicklung einer Anteilsübertragung
Der BFH hat den Ausführungen des Finanzgerichts zugestimmt und entschieden, dass eine steuerliche Rückwirkung bei Wegfall der Geschäftsgrundlage möglich ist. Insbesondere hat der BFH entscheiden:
- Wird eine Anteilsübertragung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage rückgängig gemacht, kann das steuerlich auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Veräußerung zurückwirken.
- Die gemeinsame steuerliche Vorstellung der Parteien muss nicht im Vertrag stehen. Entscheidend ist, dass sie vor/bei Vertragsschluss gemeinsam ausdrücklich besprochen wurde. Damit stärkt das BFH Urteil IX R 4/23 die Möglichkeit, Anteilsübertragungen auch nachträglich steuerlich rückabzuwickeln.Gleichzeitig hebt der BFH hervor, dass es sich bei § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) eher um einen Ausnahmetatbestand handelt. Daher knüpft der BFH an eine derartige Rückabwicklung strenge Anforderungen:
- Zum einen kommt eine solche nur in Betracht, wenn beide Parteien nachteilig betroffen sind. Dies war im vorliegenden Fall aufgrund der Zusammenveranlagung und der damit einhergehenden Gesamtschuldnerschaft der Steuer der Fall. Trifft die Steuerlast nur eine Partei, liegt keine Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB vor.
- Zum anderen muss derSteuerpflichtige darlegen und nachweisen (können), dass ein gemeinsam besprochenes, tragendes Motiv vorlag, mit dem der Vollzug „steht und fällt“. Eine reine Behauptung reicht nicht aus.
Praxis-Tipps: Wie lässt sich das BFH-Urteil proaktiv nutzen?
Auf der einen Seite sollten Sie proaktiv tätig werden. Das heißt, sie sollten:
- die Steuerfolgen vorab klären und dokumentieren (lassen): Wichtig ist, dass klar belegt werden kann, dass beide Seiten die Steuerfrage vor/bei Abschluss besprochen und eine gemeinsame Vorstellung gebildet haben.
- die Risikoteilung bedenken, also insbesondere, wer welche Steuerlast trägt, falls die Einschätzung falsch ist. Eine ausgewogene Risikoteilung macht eine spätere Rückabwicklung eher tragfähig.
- Vertraglich vorsorgen: Eine ausdrückliche „Steuer-Klausel“ ist nicht zwingend erforderlich, aber förderlich, um die Risikosphären nachvollziehbar zuzuordnen.
Praxis Tipps: Wie lässt sich das BFH-Urteil reaktiv nutzen?
Sind Sie bereits mit einem Steueranspruch nach einer Übertragung konfrontiert, der dem Verständnis der Parteien im Zeitpunkt der Übertragung widerspricht, kann eine Rückabwicklung der Anteilsübertragung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage ein Ausweg sein. Ob eine Rückabwicklung in Betracht kommt und das Finanzamt dem folgt, hängt von den nachfolgenden Punkten ab:
- Gibt es eine Dokumentation, die das Verständnis der Parteien belegt?
- Sind beide Parteien mit einem Steueranspruch nachteilig konfrontiert?
- Ist der Steuerbescheid noch offen? Falls nein, ist eine Änderungsnorm einschlägig (z. B. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO)?
Können diese Fragen bejaht werden, ergeben sich somit auch reaktive Maßnahmen, die getroffen werden können, um dem Steueranspruch entgegenzutreten.
Unsere Einschätzung: Rückabwicklung Anteilsübertragung nach BFH Urteil IX R 4/2
In keinem Fall sollten Sie es verpassen, sich im Vorfeld einer Übertragung umfassende steuerliche Einschätzung geben zu lassen. Dies gilt nicht nur, um die steuerlichen Risiken einschätzen zu können, sondern auch, um bereits proaktiv vorzusorgen. Gleichzeitig ergeben sich auch in der Verteidungsberatung Ansätze, vorausgesetzt eine hinreichende Dokumentation kann das Verständnis der Parteien nachweisen und beide Parteien sollen das steuerliche Risiko tragen.
Haben Sie Fragen zur Rückabwicklung einer Anteilsübertragung oder zum BFH-Urteil IX R 4/23? Unser Steuerberater Magnus Petter unterstützt Sie proaktiv bei Vertragsgestaltung und reaktiv im Steuerstreit. Nehmen Sie jetzt Kontakt auf.
Vermerk: Bitte beachten Sie, dass in diesem Dokument bei den durch die Gesetze festgeschriebenen Begriffen auf das Gendern verzichtet wird, um die juristische Präzision und Klarheit zu wahren. In allen anderen Textteilen wird eine gendergerechte Sprache verwendet, um die Gleichstellung aller Geschlechter zu fördern.