28. August 2024
Anzeigepflicht nationaler Steuergestaltungen: Was bedeutet das für Unternehmen?
Inhaltsverzeichnis
- Mitteilungspflicht für nationale Steuergestaltungen: Ziele und Auswirkungen auf die Steuertransparenz in Deutschland
- Steuergestaltung und Mitteilungspflicht: Welche Änderungen das SteFeG 2024 mit sich bringt
- Mitteilungspflicht und Mandatsverhältnis: Risiken für die Verschwiegenheitspflicht der Berater:innen
- Bürokratieaufwand und Rechtsunsicherheit: Die Folgen der neuen Meldepflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen
- Unsere Einschätzung
Die Bundesregierung hat am 24.07.2024 das Steuerfortentwicklungsgesetz (SteFeG) 2024 beschlossen. Insbesondere soll in dem vorgesehenen Entwurf die geplante Mitteilungspflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen eingeführt werden. Diese neue Regelung ist das nationale Pendant zur bereits bestehenden Mitteilungspflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen, die 2019 im Zuge der Umsetzung der EU-Richtlinie 2018/822 (DAC 6) eingeführt wurde. Der erste Versuch, eine solche innerstaatliche Mitteilungspflicht im Rahmen des Wachstumschancengesetzes zu etablieren, scheiterte an der Zustimmung des Bundesrates.
Bereits im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens zum Wachstumschancengesetz haben wir in unserem Blog die Absicht zur Einführung einer Meldepflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen und den daraus folgenden Bürokratieaufwand kritisiert. Nunmehr wurde eine erneute Gesetzesinitiative gefasst, weshalb wir Ihnen die Ziele, den genauen Inhalt sowie die zu erwartenden Auswirkungen in der Praxis darstellen, sollte das Gesetz in dieser Form verabschiedet werden.
Mitteilungspflicht für nationale Steuergestaltungen: Ziele und Auswirkungen auf die Steuertransparenz in Deutschland
Die Mitteilungspflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen verfolgt zwei Hauptziele:
- Zum einen sollen die zu meldenden Informationen Gesetzgeber und die Finanzbehörden in die Lage versetzen, Steuerpraktiken frühzeitig zu identifizieren und gegebenenfalls gegenzusteuern.
- Zum anderen soll die Pflicht dazu beitragen, ungewollte Gestaltungsspielräume zu schließen, sei es durch neue Rechtsvorschriften oder durch geeignete Risikoabschätzungen seitens der Finanzbehörden. Damit soll die Mitteilungspflicht eine veranlagungsunterstützende Funktion erfüllen und gleichzeitig rechtspolitischen Zwecken dienen.
Durch die Meldepflicht sollen finanzielle Lücken in der Besteuerung aufgedeckt und rechtzeitig beseitigt werden, bevor sie zu einem relevanten Problem für die Finanzbehörden werden. Dies bedeutet jedoch nicht nur eine Erhöhung der Steuertransparenz, sondern auch eine erhebliche Mehrbelastung für Intermediäre und Steuerpflichtige, die innerstaatliche Steuergestaltungen anwenden.
Steuergestaltung und Mitteilungspflicht: Welche Änderungen das SteFeG 2024 mit sich bringt
Der Entwurf des SteFeG lehnt sich stark an die bestehenden Regelungen für grenzüberschreitende Steuergestaltungen an. Mitteilungspflichtig sind insbesondere Intermediäre, also Personen oder Unternehmen, die innerstaatliche Steuergestaltungen vermarkten, konzipieren, organisieren oder deren Umsetzung verwalten.
Nach dem Entwurf des neuen § 138l AO-E ist jede innerstaatliche Steuergestaltung anzuzeigen,
- die keine grenzüberschreitende Steuergestaltung ist,
- die eine Steuer vom Einkommen oder Vermögen, die Gewerbesteuer, die Erbschaft- oder Schenkungsteuer oder die Grunderwerbsteuer zum Gegenstand hat,
- die mindestens ein Kennzeichen (sog. Hallmarks) aufweist und
- von der ein verständiger Dritter unter Berücksichtigung aller wesentlichen Fakten und Umstände vernünftigerweise erwarten kann, dass der Hauptvorteil oder einer der Hauptvorteile die Erlangung eines steuerlichen Vorteils im Sinne des § 138d Abs. 3 Satz 1 ist (sog. Main-Benefit-Test).
Besonders problematisch ist der sogenannte „Main-Benefit-Test“, der ein zentrales Element der Mitteilungspflicht darstellt. Da der Begriff der Gestaltung weit gefasst ist, wird die Mitteilungspflicht legale und legitime Steuergestaltungen betreffen, die lediglich darauf abzielen, die Steuerlast innerhalb des gesetzlichen Rahmens zu minimieren.
Ein weiteres Kriterium, das die Meldepflicht auslöst, ist der Wert des übertragenen Vermögens bei Erbschafts- oder Schenkungsvorgängen, der mindestens vier Millionen Euro betragen muss. Gerade in Fällen der Unternehmensnachfolge, bei denen es oft darum geht, die steuerliche Gesamtbelastung zu reduzieren, um die Fortführung des Unternehmens zu gewährleisten, wird diese Grenze regelmäßig überschritten. Die Folge könnte eine Flut von Mitteilungen an die Finanzbehörden sein, die diese administrativ kaum bewältigen können.
Mitteilungspflicht und Mandatsverhältnis: Risiken für die Verschwiegenheitspflicht der Berater:innen
Durch die Einführung einer Mitteilungspflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen findet ein Eingriff in das Mandatsverhältnis zwischen Berater:innen und Mandant:innen statt, wodurch die Verschwiegenheitspflicht der Berater:innen stark eingeschränkt wird. Die Mitteilungspflicht muss daher verfassungsrechtlich verhältnismäßig sein. Insbesondere die Erforderlichkeit und der Nutzen der Maßnahme sind fraglich, da die Mitteilung auch im Rahmen der regulären Steuererklärung erfolgen könnte und der separaten Mitteilungspflicht ein hoher administrativer Aufwand mit geringem Informationsgewinn gegenübersteht. Wird dem Intermediär, wie im Entwurf vorgesehen, eine lediglich zweimonatige Frist für die Anzeige eingeräumt, erscheint eine Angemessenheit der Maßnahme aufgrund fehlender Verhältnismäßigkeit fraglich, wenn der Gesetzgeber für den Auswertungsprozess deutlich länger brauchen.
Bürokratieaufwand und Rechtsunsicherheit: Die Folgen der neuen Meldepflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen
Die Einführung der Mitteilungspflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen hat weitreichende Folgen für Unternehmen und ihre Berater:innen. Sie werden gezwungen sein, eine Vielzahl von Beratungsansätzen auf eine mögliche Mitteilungspflicht zu überprüfen, was nicht nur zu einem erheblichen administrativen Aufwand, sondern auch zu rechtlichen Unsicherheiten führt. Dabei hat bereits der vom Bundesrat einberufene Vermittlungsausschuss für das Wachstumschancengesetz zutreffend festgestellt, dass die Einführung der Mitteilungspflicht für Steuerpflichtige, deren Berater:innen und die Finanzverwaltung zu erheblichem Mehraufwand führt, in keinem Verhältnis zu einem zu erwartenden Nutzen stehen wird.
Zwar sieht der Gesetzesentwurf die Einschränkung der Mitteilungspflicht durch nutzerbezogene Kriterien wie beispielsweise einer Umsatzschwelle und einer Einkünfte- oder Einkommensschwelle vor. Doch auch dieser Kriterienkatalog wird zu zusätzlichem Bürokratieaufwand führen, da stets eine Prüfung erforderlich sein wird, ob eines der Kriterien als Grundsatz für die Anwendung der Mitteilungspflicht erfüllt wird.
Zudem führt die Meldepflicht zu einem erhöhten Haftungsrisiko für Berater:innen, die bei Nicht- oder Falschmeldung nationaler Steuergestaltungen mit empfindlichen Bußgeldern rechnen müssen. Durch die teilweise unpräzise formulierten Kennzeichen (Hallmarks) werden für Berater:innen und deren Mandant:innen somit erhebliche Rechtsunsicherheiten geschaffen.
Unsere Einschätzung
Die geplante Einführung einer Mitteilungspflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen im Rahmen des Steuerfortentwicklungsgesetzes 2024 wirft erhebliche Bedenken auf.
Während das Ziel, Steuervermeidungspraktiken frühzeitig zu erkennen und zu bekämpfen, grundsätzlich legitim ist, stellt sich die Frage, ob die Mitteilungspflicht das geeignete und erforderliche Mittel dafür ist. Der Eingriff in die Verschwiegenheitspflicht von Berater:innen, die unklare Nutzung der gemeldeten Informationen und der erhebliche administrative Aufwand lassen Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme aufkommen.
Ob der Gesetzgeber angesichts der bereits im Gesetzgebungsverfahren zum Wachstumschancengesetz geäußerten erheblichen Bedenken und der praktischen Herausforderungen an der Einführung der Mitteilungspflicht festhalten wird, bleibt abzuwarten. Eine erneut klar ablehnende Haltung der Bundesländer zu diesem Vorhaben wäre nach unserer Auffassung zu begrüßen. Insbesondere, da der Ansatz der Einführung der Mitteilungspflicht bereits Anfang des Jahres auf klare Ablehnung gestoßen ist und die Bundesregierung den Bürokratieabbau als Ziel betont, erscheint der erneute Vorstoß zur Einführung der Mitteilungspflicht nicht nachvollziehbar. Sollte die Regelung tatsächlich in Kraft treten, werden Steuerpflichtige, ihre Berater und die Finanzverwaltung mit erheblicher Bürokratie belastet. Wenn Sie weitere Fragen zum Thema haben, wenden Sie sich vertrauensvoll an Steuerassistent Peter Beckermann oder Steuerberater Julian Heesemann.
Vermerk: Bitte beachten Sie, dass in diesem Dokument bei den durch Gesetze festgeschriebenen Begriffen auf das Gendern verzichtet wird, um die juristische Präzision und Klarheit zu wahren. In allen anderen Textteilen wird eine gendergerechte Sprache verwendet, um die Gleichstellung aller Geschlechter zu fördern.