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4. November 2024

Arbeitszeiten im Gesundheitswesen

Das Arbeitsrecht im medizinischen Bereich umfasst neben den allgemeinen Grundsätzen auch Regelungen, die speziell auf die besonderen Anforderungen im Gesundheitswesen zugeschnitten sind. Ärzt:innen, Pflegekräfte und andere medizinische Fachkräfte arbeiten in einem besonders anspruchsvollen Umfeld, welches stets die Balance zwischen dem Wohl des Personals und der Versorgung der Patient:innen halten muss. 

Damit Sie als ärztliche Arbeitgeber:innen stets auf dem aktuellen Stand sind, erklären wir Ihnen in diesem Beitrag, welche Bestimmungen im Zusammenhang mit der Arbeitszeit in Arztpraxen und Krankenhäusern besonders zu beachten sind. 

Das Arbeitszeitgesetz für Ärzt:innen und die Regelung von Überstunden 

Die Arbeitszeit im medizinischen Bereich ist aufgrund der hohen Arbeitsbelastung und der Notwendigkeit einer kontinuierlichen Patientenversorgung ein zentrales Thema. Neben den allgemeinen gesetzlichen Regelungen des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG), gibt es (daher) Sonderregelungen, die medizinisches Personal betreffen können. 

Grundsätzlich gilt im medizinischen Bereich: 

  • Die tägliche Arbeitszeit liegt bei maximal acht Stunden pro Tag, kann aber auf bis zu zehn Stunden verlängert werden, sofern der Durchschnitt der täglichen Arbeitszeit in sechs Monaten acht Stunden beträgt.  
  • Die durchschnittliche Höchstarbeitszeit pro Woche liegt bei 48 Stunden.
  • Bei Schichtarbeit sind bis zu zwölf Stunden möglich und in Kombination mit Bereitschaftsdiensten sogar bis zu 24 Stunden. 
  • Überstunden und Bereitschaftsdienste zählen zur Arbeitszeit.
  • Die Pausenregelung sieht vor, dass eine 30-minütige Pause bei einer Arbeitszeit von sechs bis neun Stunden und ab neun Stunden eine 45-minütige Pause gewährleistet wird. 
  • Zudem müssen nach der Arbeit mindestens elf Stunden Ruhezeit eingehalten werden, wobei Ausnahmen möglich sind.  

Es gibt aber auch Ausnahmen für die Anwendung des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG), die gerade für die kontinuierliche Patientenversorgung durch hoch qualifiziertes Personal essenziell sind. Gem. § 18 ArbZG sind leitende Angestellte und Chefärzt:innen von der Anwendung des Gesetzes ausgeschlossen. Grenzen hinsichtlich des Beschäftigungsumfangs und der Lage der Arbeitszeit können sich daher nur aus anderen zivilrechtlichen Grundsätzen und vertraglichen Regelungen ergeben. Wenn es also im Zusammenhang mit den Bereitschaftsdiensten nicht zu einem Arbeitseinsatz kommt, so gelten diese strenggenommen auch nicht als Arbeitszeit, da das Arbeitszeitgesetz keine Anwendung findet.  

Teilzeitarbeit im Gesundheitswesen: Vorteile für Work-Life-Balance 

Bei der hohen Arbeitsbelastung gewinnt die Teilzeitarbeit in Arztpraxen und Krankenhäusern zunehmend an Bedeutung, insbesondere durch die wachsende Relevanz von Themen wie Vereinbarkeit von Beruf und Familie und Work-Life-Balance, die für viele Beschäftigte, insbesondere jüngere Generationen, immer wichtiger werden. 

Auch für angestellte Ärzt:innen und medizinisches Fachpersonal ist Teilzeitarbeit möglich und muss verbindlich im Arbeitsvertrag festgelegt werden. Arbeitnehmende haben unter bestimmten Voraussetzungen sogar einen gesetzlichen Anspruch auf Teilzeitarbeit, welcher im Teilzeit- und Befristungsgesetz normiert ist. Zu diesen Voraussetzungen zählt insbesondere, dass das Arbeitsverhältnis bereits seit mehr als 6 Monaten besteht und dass Arbeitgeber:innen mehr als 15 Arbeitnehmende beschäftigt. 

Befristung von Arbeitsverträgen: Rechtliche Vorgaben und das Wissenschaftszeitvertragsgesetz 

Seit dem 1. Januar 2019 gilt zudem das Recht auf befristete Teilzeitarbeit. Die befristete Teilzeit ist eine flexible Arbeitszeitvereinbarung, die es Arbeitnehmenden ermöglicht, ihre Arbeitszeit für einen bestimmten Zeitraum zu reduzieren. Diese vorübergehende Verringerung gilt in der Regel für ein Jahr und kann höchstens fünf Jahre betragen, danach kehren die Arbeitnehmenden zu ihrer regulären Arbeitszeit zurück. Arbeitgebende dürfen diesen Anspruch nur dann ablehnen, wenn sie nachweisen können, dass dringende betriebliche Gründe gegen eine Teilzeitbeschäftigung sprechen.  

Im Allgemeinen sieht das Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge für befristete Arbeitsverträge vor, dass die Befristung eines Arbeitsvertrages kalendermäßig oder nach Art, Zweck oder Beschaffenheit der Arbeitsleistung erfolgen kann. 

Als Zweck für die Befristung kommen unter anderem medizinische Weiterbildungen nach dem Ärztearbeitsvertragsgesetz (ÄArbVtrG) und das wissenschaftliche Arbeiten im Sinne des Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG)  in Betracht: 

  • Das Ärztearbeitsvertragsgesetz (ÄArbVtrG) regelt befristete Arbeitsverhältnisse von Ärzt:innen, die sich in der Weiterbildung befinden. Es wurde geschaffen, um die befristeten Arbeitsverhältnisse für Ärzt:innen während ihrer Facharztweiterbildung zu ermöglichen und gleichzeitig bestimmte Rechte und Schutzmechanismen festzulegen.  
  • Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) regelt befristete Arbeitsverhältnisse für wissenschaftliches Personal an Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Es soll die befristete Anstellung von Wissenschaftler:innen und Forschungsmitarbeitenden für bestimmte Projekte, Studien oder Tätigkeiten im Rahmen der wissenschaftlichen Arbeit erleichtern. 

Befristungen von Arbeitsverträgen müssen schriftlich festgehalten werden. Falls dies nicht eingehalten wird, gilt der Arbeitsvertrag als unbefristet. Diese Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung tritt unmittelbar in Kraft – ohne jegliche Übergangsfristen. 

Tarifverträge für Ärzt:innen und deren Auswirkung auf die Patientenversorgung 

Für Ärzt:innen und medizinisches Fachpersonal gibt es spezielle Tarifverträge, die für bestimmte Arbeitgebende und Arbeitnehmende gelten, wie etwa der Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern (TV-Ärzte/VKA), der Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TV-Ärzte/TdL) und der Tarifvertrag öffentlicher Dienst für Medizinische Fachangestellte (TVöD MFA). Keiner dieser Tarifverträge ist allgemeinverbindlich. 

Abweichungen von seinen gesetzlichen Regelungen erlaubt das Arbeitszeitgesetz nur nach seinem § 7 im Rahmen von Tarifverträgen. Dieser Paragraf eröffnet den Tarifparteien die Möglichkeit, von den gesetzlichen Vorgaben abzuweichen, wenn dies durch einen Tarifvertrag geregelt wird. Typische Bereiche, in denen tarifvertragliche Abweichungen vom Arbeitszeitgesetz zulässig sind, sind unter anderem: 

  • Verlängerung der täglichen Arbeitszeit über die im ArbZG festgelegte Höchstdauer von 8 Stunden, soweit ein Ausgleich innerhalb eines bestimmten Zeitraums vorgesehen ist. 
  • Ruhepausen und Ruhezeiten, die im Tarifvertrag anders geregelt werden können, als es das ArbZG vorsieht. 
  • Nacht- und Schichtarbeit, bei der durch Tarifvertrag abweichende Regelungen getroffen werden dürfen, z. B. hinsichtlich der Länge oder Verteilung der Arbeitszeit. 

Elektronische Zeiterfassung: Bundesarbeitsgericht und neue Anforderungen im Arbeitsschutz 

Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) betrifft die Pflicht der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin zur Erfassung der Arbeitszeiten alle Arbeitnehmer:innen im Sinne des § 5 Absatz 1 Betriebsverfassungsgesetz. Mit dem Beschluss des BAG vom September 2022 (Az. 1 ABR 22/21) wurden klare Vorgaben zur Zeiterfassung getroffen, welche auch für Ärzt:innen und medizinisches Personal gelten. Die Arbeitszeiten der Beschäftigten müssen verbindlich erfasst werden. 

Es wird nun allgemein verlangt, dass der Start, das Ende sowie die Länge der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmenden am jeweiligen Arbeitstag in elektronischer Form dokumentiert werden müssen. Pausenzeiten und Mehrarbeit müssen ebenfalls aufgezeichnet werden. Dabei haben Arbeitgebende die Möglichkeit, die Aufzeichnung an die Arbeitnehmenden zu delegieren. In diesem Fall muss der Arbeitgeber bzw. die Arbeitgeberin die Eigenaufzeichnung durch die Mitarbeitenden regelmäßig überprüfen. 

Unsere Einschätzung: Arbeitszeiten, Teilzeitarbeit und rechtliche Rahmenbedingungen im Überblick 

Der Gesetzgeber und die Rechtsprechung versuchen stets einen Ausgleich zwischen dem Schutz von medizinischem Fachpersonal und dem Bedarf einer kontinuierlichen Patientenversorgung zu schaffen. Der Arbeitsalltag in Arztpraxen und Krankenhäusern ist häufig durch unregelmäßige und lange Arbeitszeiten geprägt. Gesetzliche Regelungen bezüglich einer Maximalarbeitszeit, Pausen und Ruhezeiten sind daher für Ärzt:innen und medizinisches Fachpersonal unerlässlich. Diese sind letztendlich auch für den Schutz der Patient:innen essenziell, um eine Betreuung durch ausgeruhtes und einsatzbereites Personal zu gewährleisten. Durch Ausnahmeregelungen soll dennoch die dauerhafte Versorgung gesichert werden. 

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zur Zeiterfassung stellt für Ärzt:innen und medizinisches Personal einen wichtigen Schritt in Richtung mehr Transparenz und Rechtssicherheit im Gesundheitswesen dar. Die verbindliche Dokumentation der Arbeitszeit, einschließlich Überstunden und Pausenzeiten, schafft Klarheit sowohl für Arbeitgebende als auch für die Beschäftigten.  

Wenn Sie weitere Fragen zum Thema „Arbeitsrecht im Gesundheitswesen“ haben, wenden Sie sich gerne an Rechtsanwältin Julia Brey. In Kooperation mit Steuerberaterin Stefanie Anders haben Sie mit uns ein starkes Team an Ihrer Seite, welches sie ganzheitlich berät und Ihnen alle Ihre Fragen beantwortet. 

 

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