5. August 2024
Neue Wege für Betriebsräte: Gesetzesänderung zur Vergütung im Fokus
Inhaltsverzeichnis
Ende Juni 2024 hat der Bundestag einstimmig dem Regierungsentwurf zur Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes zugestimmt. Die geplanten Änderungen sollen die Vergütung von Betriebsräten künftig klarer regeln und so zur Beseitigung von Rechtsunsicherheiten und zur Stärkung der Betriebsräte führen.
In diesem Beitrag werden die Hintergründe der Gesetzesänderung und die Auswirkungen auf Unternehmen und Betriebsräte näher beleuchtet.
Die Rolle der Betriebsräte
Die betriebliche Mitbestimmung ist ein essenzielles Element der deutschen Arbeitskultur. Betriebsräte spielen eine zentrale Rolle dabei, die Interessen der Arbeitnehmer:innen zu vertreten. Der Betriebsrat im Unternehmen sorgt für die Mitbestimmung bei betrieblichen Entscheidungen, überwacht die Einhaltung arbeitsrechtlicher Normen und fördert den Arbeitsschutz und die Gleichstellung.
Verunsicherung durch das BGH-Urteil
In der Vergangenheit führte jedoch insbesondere ein richtungsweisendes Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) im Fall „Volkswagen“ zu großen Verunsicherungen bezüglich der Vergütung von Betriebsräten. Mit dem Urteil vom 10. Januar 2023 (Az.: 6 StR 133/22) stellte der Bundesgerichtshof (BGH) fest, dass durch die Zahlung überhöhter Beträge an Betriebsräte der Untreue-Tatbestand erfüllt sein könne. Seine Begründung stützte der BGH darauf, dass die Zahlung einer zu hohen Vergütung eine Verletzung des Begünstigungsverbots nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) darstellt. Gemäß dem BetrVG dürfen Betriebsräte wegen ihrer Tätigkeit grundsätzlich weder benachteiligt noch begünstigt werden.
Rechtsunsicherheiten und Klagen
In der Folge befürchteten Unternehmen rechtliche Konsequenzen und kürzten die Vergütung der Betriebsräte. Dies wiederum führte zu zahlreichen Klagen der Betriebsräte gegen die Kürzung der Vergütung. So entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen in seinem Urteil vom 08.02.2024 (Az.: 6 Sa 559/23) zugunsten des Betriebsrats, dass die Kürzung unbegründet erfolgt sei und ein voller Vergütungsanspruch bestand. In Bezug auf die korrekte Gestaltung der Betriebsratsvergütung entwickelten sich weitreichende Unsicherheiten.
Um diesen Unsicherheiten zu begegnen, wurde Anfang November 2023 das „Zweite Gesetz zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes“ auf den Weg gebracht. Ziel der geplanten Änderungen ist es, Rechtssicherheit sowohl für Betriebsräte als auch für Arbeitgeber zu schaffen.
Geänderte Paragrafen im BetrVG
Die Gesetzesänderungen betreffen insbesondere die §§ 37 Abs. 4, 78 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Grundsätzlich regelt das Betriebsverfassungsgesetz die Rechte und Pflichten von Betriebsräten in Deutschland. Danach dürfen Betriebsräte wegen ihrer Tätigkeit grundsätzlich weder benachteiligt noch begünstigt werden. Die geplanten Änderungen konzentrieren sich auf die Vergütung von Betriebsräten, insbesondere die Einführung eines Mindestvergütungsanspruchs. Die Gesetzesänderungen sehen vor, dass das Arbeitsentgelt von Betriebsräten künftig nicht geringer sein darf als das Arbeitsentgelt von Arbeitnehmern mit vergleichbarer betrieblicher Laufbahn.
Neuer § 37 BetrVG
Konkret stellt die neue Fassung des § 37 BetrVG sicher, dass die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern mindestens dem Entgelt vergleichbarer Arbeitnehmer entspricht. Die Erhöhung orientiert sich an der beruflichen Entwicklung dieser vergleichbaren Arbeitnehmer. Die Gesetzesänderung ergänzt die bestehende Rechtsprechung der Bundesarbeitsgerichte. Es wird festgelegt, dass bei der Bestimmung, welche Arbeitnehmer als Vergleich herangezogen werden, der Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamtes maßgeblich ist. Nur wenn ein sachlicher Grund vorliegt, kann eine spätere Neubestimmung vorgenommen werden. Zudem können der Betriebsrat und Arbeitgeber künftig in der Betriebsvereinbarung Vergleichsgruppen festlegen.
Neuer § 78 BetrVG
Darüber hinaus wird in der neuen Fassung des § 78 BetrVG klargestellt, dass keine Benachteiligung oder Begünstigung bei der Vergütung des Betriebsrates vorliegt, solange die betrieblichen Anforderungen und Kriterien erfüllt sind und die Festlegung nicht ermessensfehlerhaft erfolgt. Auch eine höhere Vergütung ist möglich, solange diese gerechtfertigt ist.
Vorteile für Unternehmen und Betriebsräte
Von der künftigen neuen Gesetzeslage werden sowohl Unternehmen als auch die Betriebsräte profitieren. Für Unternehmen sind die geplanten Änderungen insofern vorteilhaft, als sie nun klare rechtliche Vorgaben für die Vergütung von Betriebsräten erhalten und damit rechtliche Unsicherheiten vermieden werden. Dies erleichtert die Planung und Umsetzung der Vergütungspolitik und stärkt das Vertrauen zwischen Arbeitgebern und Betriebsräten. Gleichzeitig erhalten die Betriebsräte dadurch eine rechtlich abgesicherte Vergütung, die ihrer Verantwortung und ihrem Engagement gerecht werden soll.
Politische Unterstützung und Kritik
Unterstützt wurde die geplante Gesetzesänderung von einer breiten politischen Mehrheit. Sowohl die regierenden Parteien als auch die Opposition erkannten die Notwendigkeit einer klaren Regelung zur Vergütung von Betriebsräten. Besonders engagiert zeigte sich dabei das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS).
Trotz der positiven Aspekte der Gesetzesänderung gibt es auch Kritik, insbesondere an der Verzögerung ihrer Umsetzung. Gewerkschaften und Arbeitnehmervertreter:innen bemängeln, dass die Unsicherheiten und die finanzielle Benachteiligung von Betriebsräten zu lange angedauert haben. Eine frühere Klarstellung hätte vielen Betriebsräten und Unternehmen Probleme erspart. Die Verzögerung wird als Versäumnis der Politik gesehen, rechtzeitig auf die Herausforderungen der Betriebsratsvergütung zu reagieren.
Nachdem der Bundestag das Gesetz beschlossen hatte, hat auch der Bundesrat das Gesetz Anfang Juli 2024 abgesegnet. Nach der Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten wird das Zweite Gesetz zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes am Tag der Verkündung in Kraft treten.
Rechtssichere Gestaltung und Betriebsvereinbarungen
Die Gesetzesänderung soll Unternehmen eine rechtssichere Gestaltung von Betriebsvereinbarungen ermöglichen, insbesondere durch die Festlegung von Vergleichsgruppen. Die Regelungen sollen nicht nur die innerbetriebliche Mitbestimmung und Partizipation stärken, sondern auch eine solide Grundlage für eine faire und rechtskonforme Vergütung der Betriebsräte bieten. Sie sollen auch dafür Sorge tragen, dass Betriebsräte motiviert und engagiert bleiben und ihre wichtige Rolle im Unternehmen effektiv ausführen.
Herausforderungen für Unternehmen
Die neuen gesetzlichen Regelungen sollen Unternehmen nicht nur mehr Klarheit und Sicherheit, sondern auch die Möglichkeit bieten, die Arbeit der Betriebsräte effektiver zu gestalten. Gleichzeitig stellen sie jedoch auch eine Herausforderung dar, sich an die neuen Vorgaben anzupassen und die Regelungen korrekt umzusetzen, um mögliche Unsicherheiten zu vermeiden.
Unsere Einschätzung
Die einstimmige Verabschiedung der Gesetzesänderung zum Betriebsverfassungsgesetz durch den Bundestag und die Zustimmung des Bundesrates markieren einen wichtigen Schritt hin zur Stärkung der demokratischen Betriebsratsarbeit und zur Schaffung von Rechtssicherheit. Diese Änderungen bieten Unternehmen künftig eine klarere gesetzliche Grundlage, die langfristig zu einem besseren Miteinander und einer effektiveren Betriebsratsarbeit führen kann.
Durch die Einführung eines Mindestvergütungsanspruches soll künftig eine klare arbeitsrechtliche Vorgabe etabliert werden, die Unternehmen und Betriebsräte vor strafrechtlichen Risiken schützt. Dies ist besonders wichtig für Organmitglieder und Personalverantwortliche, die sich bei der Vergütung der Betriebsratsmitglieder oft auf einem schmalen Grat zwischen Betriebsratsbegünstigung und -benachteiligung befinden. Bei Fragen rund um das Betriebsverfassungsgesetz oder zur konkreten Umsetzung der neuen Regelungen in Ihrem Unternehmen, wenden Sie sich gerne an Rechtsanwältin Louisa Reitemeier.
Vermerk: Bitte beachten Sie, dass in diesem Dokument bei dem durch das Gesetz festgeschriebenen Begriff auf das Gendern verzichtet wird, um die juristische Präzision und Klarheit zu wahren. In allen anderen Textteilen wird eine gendergerechte Sprache verwendet, um die Gleichstellung aller Geschlechter zu fördern.