Biomasse, Klär- und Deponiegas ist keine erneuerbare Energie mehr
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5. Februar 2024

Biomasse, Klär- und Deponiegas ist keine erneuerbare Energie mehr

Kategorien: Steuerberatung

Unsere Bauern sind derzeit präsenter denn je. Sie kämpfen zum Beispiel gegen die Streichung der Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer und den stufenweisen Abbau des sogenannten Agrar-Diesels durch das Zweite Haushaltsfinanzierungsgesetz; das befindet sich aber noch im Gesetzgebungsverfahren. Die Ampelkoalition will den Bauern mit einer Reduzierung von Bürokratieabbau entgegenkommen. Jetzt droht aber ein Steuerrisiko bei der Stromerzeugung aus Biomasse, Klär- und Deponiegas. Diese Ausgangsstoffe werden nicht mehr ausnahmslos als sogenannte “erneuerbare Energie” für Stromsteuerzwecke anerkannt. Was Sie wissen müssen und was Sie tun können und vielleicht auch müssen, finden Sie hier.

Wegfall der Steuerbegünstigungen als erneuerbare Energieträger

Viele Bauern haben neben der üblichen Agrarbewirtschaftung noch eine Stromerzeugungsanlage, die mit fester, flüssiger oder gasförmiger Biomasse betrieben wird. Regelmäßig wird der Strom selbst genutzt oder an Dritte abgegeben.

Aufgrund einer Änderung im europäischen Beihilferecht ist die Steuerbefreiung für Strom aus bestimmten Biomasse-, Klär- und Deponiegasanlagen zum 1.1.2024 weggefallen. Das kommt – weniger öffentlichkeitswirksam – zu den vorgenannten Maßnahmen der Ampelkoalition noch hinzu.

Steuerbegünstigungen für Strom, der aus Biomasse oder aus Biomasse hergestellten Erzeugnissen gewonnen wird, kann zukünftig nur noch gewährt werden, soweit die jeweilige Biomasse die Nachhaltigkeitskriterien und die Kriterien für Treibhausgaseinsparungen der Richtlinie (EU) 2018/2001 und der dazugehörigen Durchführungsrechtsakte oder delegierten Rechtsakte erfüllt. Das Stromsteuerrecht kennt diese Kriterien jedoch nicht. Folglich kann Strom aus diesen Energieträgern ab dem 1.1.2024 auch nicht mehr als Strom aus erneuerbaren Energieträgern entnommen werden.  

Betroffen ist bislang nach § 9 Absatz 1 Nr. 1 und Nr. 3 Stromsteuergesetz (StromStG) steuerbegünstigter Strom, soweit dieser aus

  1. Biomasse oder aus Biomasse hergestellten Erzeugnissen in Form von
  •   flüssigen Biomasse-Brennstoffen,
  •   festen Biomasse-Brennstoffen in Anlagen mit einer Gesamtfeuerungswärmeleistung von 20 Megawatt (MW) oder mehr, oder
  •   gasförmigen Biomasse-Brennstoffen in Anlagen mit einer Gesamtfeuerungswärmeleistung von 2 MW oder mehr

oder

  1. Klär- oder Deponiegas erzeugt wird.  

Voraussetzung hier: Der Betreiber der Anlage entnimmt Strom am Ort der Erzeugung oder im räumlichen Zusammenhang zur Anlage Strom zum Selbstverbrauch oder er leistet den Strom an Letztverbraucher weiter, die ihn im räumlichen Zusammenhang zu der Anlage entnehmen.

Entstehung der Stromsteuer aus Anlagen für Biomasse, Klär- und Deponiegas

Der Strom aus den betroffenen Anlagen muss ab dem 1.1.2024 grundsätzlich versteuert werden. Eine Versteuerung kann im Einzelfall und nur unter bestimmten Voraussetzungen unterbleiben.

Soweit keine anderen Steuerbefreiungsvorschriften einschlägig sind, muss eine Stromsteuererklärung abgegeben werden. Der Zeitpunkt der Abgabe hängt von zwei Dingen ab

  • ist der (stromsteuerliche) Betreiber der Stromerzeugungsanlage stromsteuerlicher Versorger  
  • und ist er Inhaber einer stromsteuerlichen Erlaubnis als stromsteuerlicher Versorger.

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, muss der erzeugte und verwendete bzw. an Letztverbraucher geleistete Strom im Rahmen der sonst für den Versorger geltenden Stromsteueranmeldung angemeldet und die Stromsteuer abgeführt werden.

In vielen Fällen wird der Strom nur selbst verbraucht und im Übrigen ins öffentliche Netz eingespeist. In diesen Fällen sind die Betreiber der Stromerzeugungsanlage keine stromsteuerlichen Versorger, sondern nur Eigenerzeuger. In diesen Fällen müssen die Betreiber aktiv werden, den der in den Anlagen produzierte und selbst verbrauchte Strom ist nicht mehr steuerfrei. In diesem Fall ist die Stromsteueranmeldung für diese selbst verbrauchten (und gegebenenfalls an dritte Letztverbraucher gelieferten Mengen) unverzüglich abzugeben und die Stromsteuer ebenso unverzüglich zu zahlen.

Welche Möglichkeit zur Befreiung von der Stromsteuer für bestimmte Anlagen gibt es?

Möglicherweise können die Betreiber das Entstehen der Stromsteuer durch die Inanspruchnahme anderer Steuerbefreiungsvorschriften vermeiden. Auch wenn der Strom aufgrund der Änderungen im europäischen Beihilferecht nicht mehr als Strom aus erneuerbaren Energieträgern anerkannt wird, kann im Einzelfall ein Wechsel in die Steuerbegünstigung für Strom aus hocheffizienten Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK-Anlagen) mit einer elektrischen Nennleistung von bis zu 2 Megawatt nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG sinnvoll sein.

Erhöhte Compliance-Anforderungen im Einzelfall

Wer andere Steuerbefreiungen in Anspruch nimmt, muss auch andere Voraussetzungen erfüllen und eine geänderte Nachweisführung beachten. So muss beispielsweise neben dem Erfordernis einer eventuellen förmlichen Erlaubnis bei Anlagen über 50 kW elektrische Nennleistung bei nicht wärmegeführten Anlagen und bei wärmegeführten Anlagen, die über einen Notkühler oder über einen Bypass zur Umgehung des Abwärmetauschers verfügen, stets eine Nutzungsgradberechnung vorgelegt werden. Ferner muss bei Anlagen mit einer elektrischen Nennleistung von 1 MW oder mehr ein Nachweis der Hocheffizienz vorgelegt werden.

Sofern der Strom in hocheffizienten Anlagen mit einer elektrischen Nennleistung bis 50 kW erzeugt wird, kann eventuell auch eine allgemeine Erlaubnis einschlägig sein, für die ein förmliches Erlaubnisverfahren nicht erforderlich ist. Dies setzt allerdings voraus, dass die Anlagen wärmegeführt betrieben werden und weder über einen Notkühler noch über einen Bypass zur Umgehung des Abwärmetauschers verfügen dürfen. Ist dies nicht der Fall, muss zwingend eine förmliche Erlaubnis beantragt werden, um von der Steuerbefreiung profitieren zu können. 

Neues Kriterium für: Gesamtfeuerungswärmeleistung

Maßgebend ist hier ein dem Stromsteuerrecht bisher unbekannter Wert: die Gesamtfeuerungsleistung.

  • 2 Abs. 15 der Verordnung über Großfeuerungs-, Gasturbinen- und Verbrennungsmotoranlagen (13. BImSchV) oder § 2 Abs. 19 der Verordnung über die Verbrennung und die Mitverbrennung von Abfällen (17. BImSchV) versteht unter Gesamtfeuerungswärmeleistung oder Feuerungswärmeleistung den auf den unteren Heizwert bezogene Wärmeinhalt der Brennstoffe, der einer Anlage im Dauerbetrieb je Zeiteinheit zugeführt wird, angegeben in Megawatt. Dieser Wert muss, sofern er nicht dem Datenblatt über die Anlage zu entnehmen ist, vom Hersteller der Anlage abgefragt werden.

Zollverwaltung gewährt kurze Übergangsfristen

Die Zollverwaltung gewährt bestimmten Anlagenbetreibern die Möglichkeit einer nahtlosen Anwendung der Steuerbefreiung ab dem 1.1.2024, sofern eine erforderliche förmliche Erlaubnis bis zum 31.3.2024 beantragt wird. Die folgenden Voraussetzungen müssen dabei im Einzelfall erfüllt sein:

  • Es bestand bis zum 31. Dezember 2023 bereits eine allgemeine oder förmliche Erlaubnis für eine Steuerbefreiung für Strom aus erneuerbaren Energieträgern (hier Biomasse, Klär- oder Deponiegas),
  • diese Steuerbefreiung entfällt mit Ablauf des 31. Dezember 2023 aufgrund der Änderungen im europäischen Beihilferecht und
  • der Antrag auf förmliche Erlaubnis für Strom aus hocheffizienten KWK-Anlagen wird bis zum 31. März 2024 beim zuständigen Hauptzollamt gestellt.

Zu beachten ist, dass diese rückwirkende Anwendung der Steuerbefreiung nur dann gilt, wenn diese Voraussetzungen erfüllt werden. Ist dies nicht der Fall, verbleibt es bei der oben dargestellten Pflicht zur Versteuerung.

Unsere Einschätzung

Die Änderungen des europäischen Beihilferechts sind grundsätzlich durch die Zollverwaltung zu beachten. Betreiber von derartigen Anlagen sollten in jedem Fall diese Änderung nutzen, um den eigenen Status und eventuelle steuerliche Pflichten zu überprüfen. Die Zollverwaltung wird betroffene Anlagenbetreiber vermutlich auch anschreiben. In jedem Fall sollten Betreiber die Änderungen, sofern noch nicht geschehen, zum Anlass nehmen, über die Einführung eines funktionsfähigen innerbetrieblichen Kontrollsystems auch für die Stromsteuer und gegebenenfalls auch Energiesteuer nachzudenken.

In jedem Fall wird die Änderung bei den betroffenen Anlagenbetreibern zu einem zusätzlichen administrativen Aufwand führen. Viele Bauern, die gleichzeitig Anlagenbetreiber sind, werden sich fragen, wo der versprochene Bürokratieabbau bleibt.

Das Thema ist komplex und es bleibt wenig Zeit. Werden die steuerlichen Verpflichtungen nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt, müssen Betroffene mit einer Reaktion der Zollverwaltung rechnen.

Handeln Sie daher rechtzeitig. Sind Sie bei den erforderlichen Maßnahmen nicht sicher, sprechen Sie uns gern an. Unsere Fachexperten helfen Ihnen gern weiter und zeigen Ihnen die erforderlichen Maßnahmen genau auf.

Tino Wunderlich

Associate Partner, Rechtsanwalt, Steuerberater, Bereich Energiesteuern

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