Neues Energiesteuer- und Stromsteuerrecht ab 2025
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14. Mai 2024

Neues Energiesteuer- und Stromsteuerrecht ab 2025

Kategorien: Steuerberatung

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat einen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung und zum Bürokratieabbau im Strom- und Energiesteuerrecht vorgelegt. Kern der geplanten Änderungen sind neue stromsteuerliche Regelungen zur rechtssicheren Abbildung der Elektromobilität, inklusive des bidirektionalen Ladens, neuer Speichertechnologien, der Anpassung der Veränderungen im Beihilferecht und der Änderungen aufgrund der Vorgaben im EU-Recht.

Hier finden Sie die geplanten Neuregelungen in der Zusammenfassung.

Stromsteuer und Elektromobilität

Gerade im Bereich der Elektromobilität können – je nach Geschäftsmodell – die Marktbeteiligten und deren Leistungsbeziehungen sehr komplex sein. Das derzeitige Stromsteuerrecht bildet diese komplexen Geschäftsmodelle nicht hinreichend rechtssicher ab. Insbesondere stellen sich Marktakteure die Frage, wer Steuerschuldner:in der Stromsteuer ist und diese Steuer an das Hauptzollamt abführen muss. Daher kann es im Einzelfall vorkommen, dass 

  • das Risiko einer Doppelbesteuerung besteht oder 
  • einer der Beteiligten die Stromsteuer nicht abführt und das Hauptzollamt die Stromsteuer nacherhebt. 

Zudem wird Elektromobilität in verschiedenen Rechtsbereichen, beispielsweise nach dem Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) und dem Stromsteuerrecht, nicht einheitlich behandelt. Die geplanten Neuregelungen sehen grundsätzlich eine Annäherung des Stromsteuerrechts an die Letztverbraucherfiktion des § 3 Nummer 25 EnWG vor. Zukünftig wird auch im Stromsteuerrecht der Betreiber der Ladesäule (CPO) – wie im EnWG – als Letztverbraucher angesehen. Der Betreiber des Ladepunktes ist zukünftig derjenige, der unter Berücksichtigung der rechtlichen, wirtschaftlichen und tatsächlichen Umstände bestimmenden Einfluss auf den Betrieb eines Ladepunkts ausübt (siehe Neuregelung in § 2 Nr. 3b StromStGE). Damit verbleibt es bei der Steuerschuld desjenigen, der letztlich den an Ladepunkten/Ladesäulen entnommenen Strom an den Betreiber der Ladesäule leistet. Einzige Ausnahme: der CPO ist – aus anderen Gründen – bereits selbst stromsteuerlicher Versorger. Leistungsbeziehungen nach dem Betreiber des Ladepunktes soll es zukünftig stromsteuerlich nicht mehr geben.

Im Kontext dazu werden auch Regelungen für den Bereich der dezentralen Energieerzeugung geschaffen, die eine einheitliche Anwendung sicherstellen soll. So gelten zukünftig die Entnahme des eigenerzeugten Stroms an der Ladesäule nach § 9 Absatz 1 Nr. 3a StromStG als Selbstverbrauch des Ladepunktbetreibers auch für den Fall, dass der Betreiber der Stromerzeugungsanlage den Strom am Ladepunkt an eine:n Fahrzeugnutzer:in abgegeben hat. Für den Fall des § 9 Absatz 1 Nr. 3a StromStG gilt der Ladepunktbetreiber als Letztverbraucher, wenn der dezentral erzeugte Strom vom Betreiber der Anlage an den Betreiber des Ladepunktes geleistet wird. So kann auch in diesen Fällen die Steuerbefreiung angewandt werden.

Stromsteuer und bidirektionales Laden

Neu geregelt wird auch das bidirektionale Laden. Rechtstechnisch wird dies so beschrieben: Ein intelligenter Ladevorgang, bei dem die Richtung des Stromflusses umgekehrt werden kann, sodass Strom vom aufladbaren elektrischen Energiespeicher eines Elektrofahrzeugs zu dem Ladepunkt fließen kann, an dem es angeschlossen ist. Einfacher ausgedrückt: Es handelt sich um die Rückspeisung des Stroms aus der Fahrzeugbatterie über die Ladestation in ein Netz (Heimnetz, Unternehmensnetz oder öffentliches Netz). Nach derzeitiger Rechtslage kann eine Doppelbesteuerung mit der Entnahme dieses Stroms nicht verhindert werden. Zukünftig entsteht für die Entnahme des rückgespeisten Stroms keine Stromsteuer. Das gilt zumindest in den Fällen, in denen der Strom ohne Nutzung des Netzes der allgemeinen Versorgung zum Verbrauch entnommen wurde. Das betrifft insbesondere die Fälle des sogenannten Vehicle to Home (V2H) und Vehicle to Business (V2B). Von der Neuregelung nicht erfasst ist der Fall des sog. Vehicle to Grid (V2G), das heißt die Rückspeisung des Stroms unter Nutzung des öffentlichen Versorgungsnetzes. Man wird sehen müssen, wie dieser Fall in der Praxis abgewickelt werden soll. Der Gesetzgeber stellt ausdrücklich klar, dass im Falle der Rückspeisung von Strom der/die Stromleister:in (Fahrzeugnutzer:in) nicht als Versorger:in gilt. 

Das neue Stromspeicher-Regime der Energiesteuer

Die bisherigen stromsteuerlichen Regelungen für Batteriespeicher erfassten nur wiederaufladbare Speicher für Strom auf elektrochemischer Basis. Zukünftig wird die bisherige Definition wesentlich und auch technologieoffen erweitert. Zudem wird ein Bezug zur Eintragung ins Marktstammdatenregister hergestellt, um als Teil des Versorgungsnetzes bei einer Zwischenspeicherung durch den Versorger zu gelten. Zudem enthalten die geplanten Neuregelungen Sondervorschriften zur Steuerfreiheit, soweit steuerfreier Strom zwischengespeichert wird, und zur Steuerentstehung bei Stromspeichern, die nicht als Teil des Versorgungsnetzes gelten oder der Strom bereits bei Zwischenspeicherung versteuert wurde. Korrespondierend dazu werden neue Aufzeichnungspflichten eingeführt (§ 4 Absatz 2 Satz 3 StromStVE).

Neuregelung der Begriffe erneuerbare Energieträger und hocheffiziente KWK-Anlagen

Der Entwurf enthält weitere Änderungen der Begriffsdefinitionen der Begriffe erneuerbare Energieträger (§ 2 Nr. 7 StromStGE) und hocheffiziente KWK-Anlagen (§ 2 Nr. 10 StromStGE). Hintergrund sind die neuen Vorgaben der beihilferechtlichen Vorgaben des EU-Rechts, insbesondere der spezifischen Neuerungen in der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO). Diese haben im Wesentlichen Auswirkungen auf die Anwendung der Steuerbefreiungen nach § 9 Absatz 1 Nr. 3 StromStG. In diesem Zusammenhang wird eine weitere Steuerbefreiungsvorschrift (§ 9 Absatz 1 Nr. 6 StromStG) für alle dezentralen Stromerzeugungsanlagen eingeführt, die die neuen, vorgenannten Kriterien nicht mehr erfüllen. Allerdings wird bei Anwendung der Steuerbefreiung des Stroms zukünftig für diese Anlagen der Energie-Input versteuert bleiben. Bei KWK-Anlagen wird neben dem Hocheffizienzkriterium ein zusätzliches Merkmal eingeführt: unabhängig vom Datum der Inbetriebnahme müssen zukünftig die direkten CO2-Emissionen aus der kombinierten Erzeugung je Kilowattstunde Energieertrag (einschließlich Wärme, Kälte, Strom und mechanische Energie) weniger als 270 g betragen. Zukünftig soll auch auf die Steuerbefreiungen nach § 9 Absatz 1 Nr. 1 bis 3 und Nummer 6 unwiderruflich verzichtet werden. Achtung: Dies soll bereits dann gelten, wenn diese Mengen nachweislich versteuert werden. 

Überarbeitung des Entlastungsregimes bei der Stromerzeugung

Nach Wegfall der vollen Steuerentlastung für KWK-Anlagen nach § 53a Absatz 6 EnergieStG zum 31.12.2023 und dem geplanten Auslaufen der Freistellungsanzeigen zum 30.06.2024 war lange Zeit offen, welche Entlastungen zukünftig für KWK-Anlagen gelten sollen. Der Entwurf enthält ein völlig neu überarbeitetes Entlastungsregime. Reine Stromerzeugungsanlagen und stromerzeugende KWK-Anlagen werden zukünftig über den § 53 StromStG voll entlastet. § 53a StromStG findet nur noch für Anlagen Anwendung, die nicht unter den § 53 EnergieStG fallen, z.B. Anlagen, die neben der Stromerzeugung noch Druckluft erzeugen. Entlastungen zur Stromerzeugung, die bisher in § 49 EnergieStG geregelt waren (beispielsweise Stromerzeugung in Motorenprüfständen) werden zukünftig ebenfalls über § 53 EnergieStG entlastet.

Erweiterung des Anwendungsbereiches Strom zur Stromerzeugung

Die Reichweite der Steuerbefreiung „Strom zur Stromerzeugung“ ist eine der strittigen Themen im Stromsteuerrecht der vergangenen Jahre. Im Kern geht es um den Anwendungsbereich und welche Strommengen für den Betrieb von Anlagen und Anlagenteilen steuerfrei gestellt werden können. Erst im letzten Jahr hat der EuGH im Verfahren C-571/21 zu einem deutschen Fall Stellung genommen. Derzeit sind noch zwei weitere Verfahren beim Bundesfinanzhof anhängig. Dem vorliegenden Entwurf sind  dennoch gute Ansätze zu entnehmen, sodass auch die Zollverwaltung dieser Entwicklung zukünftig folgen wird. Neu ist insbesondere eine Selbsterklärung für jede Anlage für den Fall, dass im Stromerzeugungsprozess eine weitere Person involviert ist. Derjenige/diejenige, der/die die Selbsterklärung abgibt, muss insoweit aber bestimmte Aufzeichnungen führen. 

Neuregelung der Anlagenverklammerung 

Ebenso umstritten und in der Praxis relevant war und ist das Thema Anlagenverklammerung. Der Gesetzgeber hat sich dem angenommen und das Regime der Anlagenverklammerung neu geregelt. Zukünftig soll die teilweise komplexe Prüfung des Anlagenbegriffs entfallen. Es wird auf eine Anlagenzusammenfassung von an unterschiedlichen Standorten befindlichen Anlagen verzichtet. Unter bestimmten Voraussetzungen sollen neben einzelnen Stromerzeugungseinheiten mehrere Stromerzeugungseinheiten in einer Kundenanlage oder an einem Standort unter bestimmten Voraussetzungen als eine Anlage gelten. Insoweit wird grundsätzlich am funktionsbezogenen Anlagenbegriff festgehalten.

Neuregelung der Regelungen zur Zeitgleichheit und der Mengenermittlung

Zunehmend übernimmt das Stromsteuerrecht Regelung aus anderen Rechtsgebieten. Der neu gefasste § 11a StromStV stellt nunmehr klar: Bestimmte Strommengen, die nicht dem Regelsteuersatz unterliegen und bestimmten Entnahmestellen bilanziell zugewiesen werden sollen (zum Beispiel aus erneuerbaren Energieträgern oder aus hocheffizienten KWK-Anlagen), können nur bezogen auf jedes 15-Minuten-Intervall berücksichtigt werden. Zum Nachweis der Zeitgleichheit muss die jeweilige Menge zur Abgrenzung bezogen auf jedes 15-Minuten-Intervall in geeigneter Form mit mess- und eichrechtskonformen Messeinrichtungen erfasst werden. Dies ist bereits aus beispielsweise § 46 Energiefinanzierungsgesetz bekannt. Als derartige Messeinrichtungen werden registrierende Leistungsmessungen (RLM), moderne Messeinrichtungen mit Einrichtung zum kontinuierlichen Auslesen oder entsprechend intelligente Messsysteme (Smart Meter) anerkannt.  

Beschreibung der wirtschaftlichen Verhältnisse

Bisher musste die Beschreibung der wirtschaftlichen Verhältnisse mit dem ersten Entlastungsantrag bzw. bei Anrechnung von Steuerentlastungen im Rahmen der Stromsteuer- bzw. Energiesteuerentlastungsanträge vorgelegt werden. Diese Verpflichtung entfällt nun. Zukünftig sollen die Beschreibungen der wirtschaftlichen Verhältnisse (bisher Formular 1402) nur noch auf Verlangen des Hauptzollamtes vorgelegt werden müssen. Dann – wie bisher – auf amtlich vorgeschriebenen Vordruck.

Einreichung von Entlastungsanträgen per Datenfernübertragung

Bereits heute ist es teilweise möglich, zukünftig wird die elektronische Übermittlung der Steuerentlastungsanträge nach § 9b StromStG und § 54 EnergieStG über das Bürger- und Geschäftskundenportal Pflicht. Für die übrigen Steuerentlastungen, beispielsweise nach § 9a StromStG, § 51 und § 53 oder § 53a EnergieStG verbleibt es allerdings bei der Möglichkeit der Einreichung auf amtlich vorgeschriebenem Vordruck. Dennoch sollte geprüft werden, ob nicht im Einzelfall die Entlastungsanträge über das IVVA-Portal abgegeben werden können. 

Weitere hier nicht benannte Details sind ebenfalls im Entwurf enthalten.

Unsere Einschätzung

Die geplanten Neuregelungen nehmen den geplanten Hochlauf der Elektromobilität und das Thema Stromspeicher in den Fokus. Das begrüßen wir, auch wenn es im Einzelfall praktische Fragen gibt, die es zu klären gilt. Insgesamt fällt aber auf, dass sich die Neuerungen zunehmend an den Lebenswirklichkeiten orientieren. Ob damit eine Vereinfachung einhergeht, erscheint bei unseren komplexen Lebenssachverhalten aber zweifelhaft. Jedenfalls ist jedes Unternehmen mit Berührung zur Stromsteuer und Energiesteuer gut beraten, sich mit den Neuerungen zu beschäftigen, um frühzeitig für die neuen Regelungen gewappnet zu sein. Wenn Sie dabei Hilfe brauchen, sprechen Sie uns gerne an.

Tino Wunderlich

Associate Partner, Rechtsanwalt, Steuerberater, Bereich Energiesteuern

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