Ein arbeitsrechtlicher Blick auf Mitarbeiterentsendungen
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12. Dezember 2023

Ein arbeitsrechtlicher Blick auf Mitarbeiterentsendungen

Kategorien: Allgemein

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Um den Anforderungen globaler Märkte gerecht zu werden, sind internationale Mitarbeiterentsendungen aus den meisten Unternehmen nicht mehr wegzudenken. Arbeitgeber:innen schicken ihre Mitarbeitenden ins Ausland, während andere internationale Talente zur Weiterentwicklung ihre inländischen Betriebe nutzen. Was Sie aus arbeitsrechtlicher Sicht über Mitarbeiterentsendungen wissen müssen, erfahren Sie hier.

Was genau ist eine Mitarbeiterentsendung?

Nationale, europäische und bilaterale Rechtsgrundlagen bieten Regelungen für Entsendungen. Eine einheitliche Definition gibt es allerdings nicht. Denn eine Entsendung hat nicht nur auf nationaler und internationaler Ebene unterschiedliche Voraussetzungen. Auch auf sozialversicherungs- und steuerrechtlicher Ebene gibt es Unterschiede. So kann beispielsweise eine mehrtägige Dienstreise ins Ausland schon eine Entsendung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne darstellen.

Neben den steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Auswirkungen stellen sich für viele Arbeitgeber:innen auch arbeitsrechtliche Fragen. Darüber hinaus muss eine Entsendung rechtssicher gestaltet werden.

Dürfen Arbeitgeber:innen Mitarbeiterentsendungen zwangsweise anordnen?

Viele Arbeitgeber:innen behalten sich in ihren Arbeitsverträgen das Recht vor, ihre Mitarbeiter:innen zu entsenden. Fehlt eine solche Klausel, können Arbeitgeber:innen im Rahmen des Direktionsrechts nach § 106 Satz 1 GewO trotzdem den Ort der Tätigkeit bestimmen. Ob bei einer Entsendung ins Ausland das Direktionsrecht eingeschränkt ist, kommt auf das Berufsbild und das Tätigkeitsprofil der Arbeitnehmer:innen an.

So kann die Leiterin der internationalen Sales-Abteilung im Rahmen des Direktionsrechts eher ins Ausland entsandt werden, als der angestellte Kassierer im örtlichen Einzelhandel.

Arbeitgeber:innen müssen laut Nachweisgesetz vor einem Auslandseinsatz, der länger als einen Monat dauert, alle Bedingungen schriftlich dokumentieren.

Welches Vertragsmodell bietet sich für Mitarbeiterentsendungen an?

Welches Vertragsmodell sich für die jeweilige Entsendung anbietet, hängt nicht zuletzt von ihrer Dauer ab.

Bei kurzzeitigen Entsendungen von drei bis zwölf Monaten kann der Arbeitsvertrag beibehalten und durch eine Entsendungsvereinbarung ergänzt werden.

Ein befristeter Arbeitsvertrag im aufnehmenden Staat wird in der Regel nur dann abgeschlossen, wenn dies nach ausländischem Recht erforderlich ist. Diese Möglichkeit besteht auch bei langfristigen Entsendungen. In der Praxis hat sich allerdings eine zweite Möglichkeit etabliert: Hier ruht der Arbeitsvertrag mit der inländischen Heimatland-Gesellschaft, während ein befristeter Arbeitsvertrag mit der ausländischen Gastland-Gesellschaft aufgesetzt wird.

Was muss inhaltlich bei Mitarbeiterentsendungen beachtet werden?

Alle Verträge und Vereinbarungen müssen 

  • inhaltlich aufeinander abgestimmt sein, 
  • sich nicht widersprechen und 
  • die Voraussetzungen von Entsendungen beachten.

So muss beispielsweise sowohl die Entsendungsvereinbarung als auch ein lokaler Arbeitsvertrag von vornherein befristet sein. Wenn die Beteiligten keine Änderungen im Bereich der Steuer und Sozialversicherung wünschen, sollte diese Befristung auch den sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Vorgaben entsprechen. Im Regelfall liegt eine Entsendung auf europäischer Ebene im sozialversicherungsrechtlichen Sinne z.B. nur bei einer Befristung von maximal 24 Monaten vor.

In vielen Fällen leisten Expatriates während ihrer Entsendung deutlich mehr Arbeitsstunden als üblich. Daher ist auch eine Klausel zum Ausgleich von Mehrarbeit empfehlenswert.

Sollten die Lebenshaltungskosten im aufnehmenden Staat deutlich höher sein, kann dies durch ein höheres Gehalt ausgeglichen werden. Andersherum darf das Unternehmen Reisekosten, Verpflegungskosten und die Kosten für die Unterbringung am Einsatzort innerhalb der EU nicht vom Lohn abziehen. Wurde das Arbeitsverhältnis während der Entsendung ruhend gestellt, darf natürlich auch die Wiederauflebensklausel und deren Konditionen nicht vergessen werden.

Wann gilt ausländisches Recht bei Mitarbeiterentsendungen?

Im internationalen Privatrecht hat sich das Prinzip „Lex loci laboris“, also das Recht des Arbeitsortes, durchgesetzt.

Für Individualarbeitsverträge gilt grundsätzlich freie Rechtswahl. Die Parteien können also vereinbaren, welches Recht sie auf das Arbeitsverhältnis anwenden. Eingeschränkt wird dieser Grundsatz durch das Günstigkeitsprinzip. Treffen die Vertragsparteien also eine zulässige Rechtswahlklausel, darf das nicht dazu führen, dass Arbeitnehmer:innen der Schutz entzogen wird, der ihnen durch das Recht des Arbeitsortes zusteht. Es gilt also zumindest das zwingende, arbeitnehmerfreundliche Recht des Arbeitsortes, was auch nicht durch eine zulässige Rechtswahlklausel umgangen werden kann. 

Nur wenn eine Bestimmung des gewöhnlichen Tätigkeitsortes nicht möglich ist, gilt das Recht des Staates der Heimat-Niederlassung. 

In der Praxis würde es jedoch zu erheblichen Problemen führen, wenn jede Entsendung ins Ausland einen Rechtswechsel mit sich bringen würde. Deshalb hat sich mittlerweile durchgesetzt, dass erst bei Entsendungen, die länger als vier Wochen dauern, die zwingenden, arbeitnehmerfreundlichen Vorschriften des Gastlandes beachtet werden müssen. Einzelne Länder können von diesem Grundsatz abweichen.

Unsere Einschätzung

Für die störungsfreie Entsendung und Rückkehr von Expatriates brauchen Sie klare vertragliche Regelungen. Kommt ausländisches Recht zur Anwendung, müssen Unternehmen die Regelungen prüfen und in die Verträge aufnehmen. Entsenden Arbeitgeber:innen ihre Mitarbeiter:innen regelmäßig ins Ausland, empfehlen wir eine Berechtigungsklausel im Arbeitsvertrag.

Bei der rechtssicheren Gestaltung sind wir und unsere internationalen Partner in über 90 Ländern Ihnen gerne behilflich.

 

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