
5. Mai 2025
BFH-Urteil zur Ein-Prozent-Regelung: Private Nutzung eines betrieblichen Pickups – Wann gilt der Anscheinsbeweis
Kann ein betriebliches Fahrzeug grundsätzlich auch privat genutzt werden, geht das Finanzamt automatisch von einer privaten Mitbenutzung aus – der sogenannte Anscheinsbeweis greift. Die Folge: Der geldwerte Vorteil ist nach der 1-Prozent-Regelung zu versteuern. Wer das vermeiden will, muss überzeugende Gegenbeweise liefern. Was genau dafür nötig ist, hat der BFH in seinem Urteil vom 16.01.2025 (Az. III R 34/22) klargestellt.
Exkurs: Versteuerung privater Pkw-Nutzung im Betrieb
Ein betriebliches Fahrzeug kann auch für private Zwecke genutzt werden. Dabei ist jedoch eine Versteuerung dieser privaten Nutzung erforderlich. Der zu versteuernder Betrag wird durch die sogenannte 1 Prozent-Regelung ermittelt (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG). Bemessungsgrundlage ist der auf hundert Euro abgerundete Bruttolistenpreis zuzüglich Kosten für Sonderausstattung im Zeitpunkt der Erstzulassung. In Abhängigkeit von Zulassung, Kaufpreis und Co2 Emission wird der Bruttolistenpreis bei Hybrid/E-Fahrzeugen halbiert oder sogar geviertelt.
Wenn Sie wissen wollen, welche Steuern generell bei einem Dienstwagen anfallen, legen wir Ihnen den folgenden Blogbeitrag ans Herz: Den kompletten Beitrag lesen sie hier.
Für jeden Monat, in dem das Fahrzeug privat genutzt werden kann, ist die Versteuerung vorzunehmen. Es ergibt sich daher folgende Formel:
Bruttolistenpreis x 1% (0,5/0,25%) x Kalendermonate der privaten Nutzung.
Fahrtenbuch oder Pauschalmethode: Was lohnt sich wann?
Die 1 Prozent-Regelung ist eine vereinfachte pauschale Berechnung. Eine genaue Kostenzuordnung erfolgt hier nicht. Sollte eine genaue Zuordnung der Kosten gewünscht oder günstiger sein, kann die Aufteilung nach der Fahrtenbuchmethode vorgenommen werden. Hierzu werden die entstandenen Kosten für das Fahrzeug anhand der betrieblich und privat gefahrenen Kilometer aufgeteilt und zugeordnet. Ein Fahrtenbuch lohnt sich, wenn das betriebliche Fahrzeug auch privat genutzt werden kann aber der private Anteil sehr gering ist. Einen weiteren Blogbeitrag zum Thema “elektronisches Fahrtenbuch richtig führen” finden sie hier: Zum Beitrag
Außerdem spannend: Fahrtenbuch bei Berufsgeheimnisträger:innen: Zwischen Verschwiegenheitspflicht und steuerlichen Anforderungen
Die Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 Halbsatz 1 EStG beruht auf der Erfahrung, dass Kfz, die ihrer Art nach typischerweise zum privaten Gebrauch geeignet sind und die für Privatfahrten zur Verfügung stehen, regelmäßig auch privat genutzt werden – ein sogenannter Beweis des ersten Anscheins. Der Anscheinsbeweis kann durch den sogenannten Gegenbeweis entkräftet oder erschüttert werden. Der Gegenbeweis muss jedoch vom Steuerpflichtigen oder der Steuerpflichtigen erbracht werden.
Der vorliegende Sachverhalt: Pickup im Gartenbaubetrieb
In dem Urteil war streitig, ob der betriebliche Pickup, welcher für den gewerblichen Gartenbaubetrieb genutzt wurde, auch privat genutzt werden kann.
Der Pickup stand dem Kläger und seiner Familie außerhalb der Arbeitszeiten uneingeschränkt zur Verfügung. Im privaten Vermögen befanden sich noch drei weitere Fahrzeuge, die primär von seinen Kindern genutzt wurden, jedoch auch ihm zur Verfügung standen. Ein Fahrtenbuch oder eine private Versteuerung fanden für den Pickup nicht statt.
Im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung kam das Finanzamt zum Ergebnis, dass der Beweis des ersten Anscheins für eine private Nutzung vorläge. Aufgrund der fehlenden Führung eines Fahrtenbuchs sei die Privatnutzung nach der 1-Prozent-Regelung zu versteuern gewesen. Durch die Kontrollmitteilung wurden die Steuerbescheide für die Streitjahre 2015 & 2016 geändert.
Der Kläger erhob Einsprüche gegen die Streitjahre, welche als unbegründet abgewiesen wurden.
Beim Finanzgericht (FG) hatte der Kläger Erfolg mit seinem Einspruch. Dem FG zufolge lag durch die hervorgebrachten Argumente keine private Nutzung vor und die Erhöhung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb durch die 1 Prozent-Regelung seien zu Unrecht gewesen. Die Richter vom FG gingen von einer Erschütterung des Anscheinsbeweises aus. Es ist ihrer Auffassung nachvollziehbar, dass der Pickup durch seine Größe nicht für den privaten Gebrauch genutzt wurde. Zusätzlich stand das Fahrzeug für den arbeitstäglichen Einsatz im Gartenbau als Zugmaschine für den Betrieb und dessen Mitarbeiter zur Verfügung.
Entscheidung des Bundesfinanzhofes
Der Bundesfinanzhof folgte dieser Auffassung jedoch nicht und stellte klar, dass die Feststellungen des FG nicht ausreichen, um von einer Entkräftung des Anscheinsbeweises ausgehen zu können.
Der BFH stellte fest, dass das Finanzgericht keine objektiven Umstände festgestellt hatte, die den Anscheinsbeweis für eine private Nutzung des Pickups hätten erschüttern können. Hier einige Beispiele für Umstände, die den Anscheinsbeweis entkräften könnten:
- Fehlende Zulassung des Fahrzeugs
- Fehlende Fahrerlaubnis des Steuerpflichtigen
- Dauerhafte Überlassung des Fahrzeugs an Mitarbeitende
- Nicht fahrbereiter Zustand des Fahrzeugs
Weitere Punkte, die nach Auffassung des BFH nicht ausreichten, um den Anscheinsbeweis zu widerlegen:
- Ungeeignetheit des Fahrzeugs aufgrund der Größe für eine private Nutzung: Das Fahrzeug sei zu groß für die Familie, was jedoch den für die private Nutzung sprechenden Anscheinsbeweis nicht entkräftet.
- Werbefolien auf dem Fahrzeug: Die Werbung auf der Karosserie des Pickups wurde als nicht ausreichend angesehen, um den Anscheinsbeweis zu erschüttern.
- Betriebsbedingte Verschmutzung des Fahrzeugs: Obwohl das Finanzgericht keine Verschmutzung feststellte, würde eine solche nicht den Anscheinsbeweis erschüttern, es sei denn, es lägen besondere Umstände vor.
- Fehlender Bedarf für ein Fahrzeug auf dem Arbeitsweg: Der Kläger brachte vor, dass er für den Weg zwischen Wohnung und Arbeitsplatz kein Fahrzeug benötige und alternative Verkehrsmittel nutze. Dieser Umstand reichte jedoch nicht aus, den Anscheinsbeweis zu widerlegen.
- Vorhandensein eines BMWs und die Nutzung von Fahrzeugen durch die Kinder: Der Hinweis, dass dem Kläger noch andere Fahrzeuge zur Verfügung standen, konnte den Anscheinsbeweis ebenfalls nicht erschüttern, da diese Fahrzeuge entweder nicht gleichwertig oder nur eingeschränkt zur Verfügung standen.
Unsere Einschätzung: Was bedeutet das Urteil für die Praxis?
Kombinationsfahrzeuge wie ein Pickup sind für die private Nutzung geeignet, dies betonte der BFH nochmal. Es sollte daher nicht davon ausgegangen werden, dass Fahrzeuge mit großer Ladefläche oder Transporter für eine privat Nutzung ausscheiden. Eine konkrete Lösung, wie ein Gegenbeweis erbringt werden kann, lies der BFH offen. Möglichkeiten, den Anscheinsbeweis zu entkräften, können unter anderem die Führung eines Fahrtenbuchs sein, aus dem eindeutig hervorgeht, dass ausschließlich betriebliche Fahrten durchgeführt wurden. Eine weitere Option besteht darin, dass dem betrieblichen Fahrzeug ein privates Fahrzeug von vergleichbarem Wert und Status gegenübersteht, das dem Steuerpflichtigen uneingeschränkt zur Verfügung steht. Das es um einen Einzelfall Betrachtung geht, können weiterhin verschiedenen Argumente eine private Nutzung, eines betrieblichen Fahrzeuges ausschließen.
Wenn Sie Fragen zum Thema haben und sich beraten lassen möchten, stehen wir von ECOVIS KSO Ihnen gerne beratend zur Seite.
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