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27. Mai 2025

Formwechsel als steuerpflichtige Veräußerung: BFH-Urteil mit weitreichenden Folgen für Umwandlungen

Kategorien: Steuerberatung

Steuerfalle bei Umstrukturierungen: Mit Urteil vom 27. November 2024 (Az.: X R 26/22) hat der Bundesfinanzhof (BFH) unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass der Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft innerhalb von sieben Jahren nach einem qualifizierten Anteilstausch als steuerpflichtige Veräußerung im Sinne des § 22 Abs. 2 Satz 1 Umwandlungssteuergesetz (UmwStG) zu behandeln ist.    


§ 22 UmwStG: Wie lange gilt die Sperrfrist und was ist der Zweck der Regelung? 

Erfolgt ein qualifizierter Anteilstausch nach § 21 UmwStG unter dem gemeinen Wert ist die siebenjährige Sperrfrist des § 22 UmwStG zu berücksichtigen, innerhalb derer bestimmte Vorgänge rückwirkend (teilweise) zu einer Aufdeckung der stillen Reserven der eingebrachten Anteile führen kann. Diese Regelung soll sicherstellen, dass der Anteilstausch nicht zur steuerfreien Realisierung stiller Reserven genutzt wird.   

Worin unterscheiden sich Einbringungsgewinn I und Einbringungsgewinn II?

§ 22 UmwStG unterscheidet dabei zwischen dem Einbringungsgewinn I nach § 22 Abs. 1 UmwStG und dem Einbringungsgewinn II nach § 22 Abs. 2 UmwStG. Der Einbringungsgewinn I entsteht, wenn während der Sperrfrist die im Rahmen des Tauschs erhaltenen Anteile an der übernehmenden Gesellschaft veräußert oder in ihrer ertragsteuerlichen Qualität verändert werden. Der Einbringungsgewinn II entsteht hingegen, wenn die übernehmende Gesellschaft die erhaltenen Anteile innerhalb der siebenjährigen Sperrfrist veräußert.  


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Einbringungsgewinn II: Welche Ersatzrealisationstatbestände führen zu einer Sperrfristverletzung? 

Aufgrund des o. g. Urteils wird im Folgenden der Einbringungsgewinn II hinsichtlich seiner Ersatzrealisationstatbestände näher erläutert. Neben der tatsächlichen entgeltlichen Veräußerung können in Bezug auf den Einbringungsgewinn II nach § 22 Abs. 2 Satz 6 i. V. m. Abs. 1 S. 6 Nr. 1 bis 5 UmwStG auch sog. Ersatzrealisationstatbestände zu einer Sperrfristverletzung führen. Dazu zählen unter anderem:  

  • die unmittelbare oder mittelbare unentgeltliche Übertragung der erhaltenen Anteile auf eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft (sog. verdeckte Einlage). 
  • die unmittelbare oder mittelbare Veräußerung der im Rahmen einer weiteren Einbringung (sog. Ketteneinbringung) gewährten Anteile durch den Einbringenden oder die übernehmende Gesellschaft.
  • der Wegfall der persönlichen Anforderungen der aufnehmenden Gesellschaft, wie Wegzug in einen Drittstaat oder Rechtsnachfolge (z. B. Erbschaft) durch einen nicht in der EU/EWR Ansässigen. 

Wie der Anteilstausch rückwirkend zur Steuerfalle wird 

Ein solcher Vorgang kann dazu führen, dass die ursprünglich unter dem gemeinen Wert erfolgte Einbringung steuerlich rückwirkend als Veräußerung zu qualifizieren ist. Für Unternehmen bedeutet dies, dass Umstrukturierungen im Anschluss an einen Anteilstausch unter dem gemeinen Wert besonders sorgfältig auf potenzielle steuerliche Risiken geprüft werden müssen.  

Steuerpflichtige Veräußerung trotz innerstaatlicher Umwandlung: Der Fall, den der BFH zu entscheiden hatte 

Im zugrunde liegenden Fall hatten die Beigeladenen ihre Anteile an der XA-GmbH im Rahmen eines qualifizierten Anteilstauschs in die X-GmbH zu Buchwerten eingebracht. Innerhalb von sieben Jahren nach diesem Einbringungszeitpunkt wurde die XA-GmbH in eine Personengesellschaft formgewechselt (nachfolgend XA-KG).  

Warum der BFH den Formwechsel von Kapital- in Personengesellschaft als Veräußerung qualifiziert 

Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass der Formwechsel zu Entstehung eines Einbringungsgewinns II führt. Der BFH stimmte dem zu und stellte anhand bereits ergangener Rechtsprechung erneut fest, dass der Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft als Veräußerung im Sinne des § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG zu werten ist, da die eingebrachten Anteile durch den Formwechsel nicht wieder in denjenigen ertragsteuerlichen Status zurückfallen, den sie vor der Einbringung hatten.  

Die Entscheidung stützt sich auf frühere Urteile des BFH zum Formwechsel einer übernehmenden Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft. Dabei wird das Vermögen der Kapitalgesellschaft auf die Personengesellschaft übertragen – und damit mittelbar auf die Gesellschafter, also auf andere Rechtsträger. Als „Gegenleistung“ verlieren diese Gesellschafter ihre Anteile an der Kapitalgesellschaft. Dies habe ausreichend Ähnlichkeiten mit einem Tausch, um den Vorgang als Veräußerung zu kategorisieren (BFH-Urteile vom 18.11.2020 – I R 25/18, BFHE 271, 421, BStBl II 2021, 732, Rz 18 ff., und vom 18.11.2020 – I R 24/18, BFH/NV 2021, 951, Rz 18 ff.).   

Warum auch Verschmelzungen den steuerlichen Veräußerungsbegriff erfüllen 

Nach denselben Grundsätzen wurden auch Verschmelzungen als Veräußerung eingestuft, etwa die sog. Aufwärtsverschmelzung (Up-Stream-Merger). Auch, wenn die Muttergesellschaft in diesem Fall keine neuen Anteile erhält, gehen das Vermögen und die Schulden der Tochtergesellschaft auf sie über, während im Gegenzug deren Anteile untergehen – ebenfalls ein tauschähnlicher Vorgang (BFH-Urteil vom 24.01.2018 – I R 48/15, BFHE 261, 8, BStBl II 2019, 45).   

Folgt man dieser Linie, stellt auch der Formwechsel der XA-GmbH in eine Personengesellschaft eine Veräußerung dar. Denn: Die X-GmbH hat ihre Anteile an der XA-GmbH abgegeben und im Gegenzug Anteile an der neuen XA-KG erhalten – ein tauschähnlicher Vorgang, der ausreicht, um den steuerlichen Veräußerungsbegriff zu erfüllen.  

Warum der Formwechsel auch gemäß anderer Vorschriften nicht steuerfrei gestellt werden kann 

Da vorliegend der Tatbestand der Veräußerung bereits erfüllt ist, bedarf es nicht der Prüfung der Ersatzrealisationstatbestände.  

Der Formwechsel kann auch nicht nach § 22 Abs. 2 S. 6 i. V. m. Abs. 1 Nr. 2 UmwStG steuerfrei gestellt werden, wie von den Beteiligten beantragt, da der Formwechsel weder einen Vorgang im Sinne des § 20 UmwStG (Einbringung von Unternehmensteilen in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft) noch einen nach § 21 UmwStG (Anteilstausch) darstellt.   

Auch der Verweis der Klägerin auf die EU-Fusionsrichtlinie (RL 2009/133/EG) blieb erfolglos. Der BFH stellte klar, dass die EU-Fusionsrichtlinie auf diesen rein innerstaatlichen Sachverhalt nicht anwendbar ist, da der nationale Gesetzgeber sich dafür entschieden hat, innerstaatliche und grenzüberschreitende Fälle nicht gleich zu behandeln. Eine teleologische Reduktion des § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG oder eine abweichende Feststellung des Gewinns aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 der Abgabenordnung lehnte der BFH ab.   

Unsere Einschätzung: Umstrukturierungspläne sorgfältig auf etwaige Sperrfristen prüfen

Das aktuelle BFH-Urteil unterstreicht erneut die Bedeutung der Missbrauchsvermeidungsvorschriften des Umwandlungssteuergesetzes. Der Formwechsel und weitere Folgestrukturierungen innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Fristen können zu einer unerwarteten Steuerbelastung führen.  

Unternehmen sollten daher ihre Umstrukturierungspläne sorgfältig auf eventuell bestehende Sperrfristen prüfen und gegebenenfalls steuerlichen Rat einholen, um unerwünschte steuerliche Folgen zu vermeiden.   

Wenn Sie sich für eine Umstrukturierung Ihres Unternehmens interessieren oder konkret eine Umstrukturierung planen, unterstützen wir Sie gerne bei der (steuer-)rechtlichen Prüfung und Umsetzung Ihres Vorhabens. Nehmen Sie einfach Kontakt zu unseren Steuerexpert:innen Julian Heesemann, Aleksandra Curi oder Peter Beckermann auf. 

Julian Heesemann

Associate Partner und Steuerberater

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