
10. März 2025
BFH-Urteil: Keine erweiterte Gewerbesteuerkürzung bei Veräußerung des gesamten Grundbesitzes im Laufe des Erhebungszeitraums
Inhaltsverzeichnis
- Welches Kriterium ist für die Anwendbarkeit von § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG entscheidend?
- Einfache vs. erweiterte Gewerbesteuerkürzung: Welche Änderungen und neuen Möglichkeiten ergeben sich ab 2025?
- Ausschließlichkeit bei der erweiterten Kürzung: Was bedeutet der gesamte Erhebungszeitraum für Gewerbesteuerpflichtige?
- Unsere Einschätzung: Warum bei beabsichtigter Grundstückskürzung der Verkaufszeitpunkt des letzten Grundstücks so wichtig ist
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Die Veräußerung eines Grundstücks einen Tag vor Ablauf des Kalenderjahres schließt die erweiterte gewerbesteuerliche Kürzung aus, da eine Kapitalgesellschaft insoweit nicht ausschließlich grundstücksverwaltend tätig ist.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat am 17.10.2024 (Az. III R 1/23) entschieden, dass eine Kapitalgesellschaft die erweiterte Gewerbesteuerkürzung nicht nutzen kann, wenn sie ihren gesamten Grundbesitz während des Erhebungszeitraums veräußert. Entscheidend ist dabei, dass die Veräußerung „zu Beginn des 31.12.“ erfolgte. Da die Gesellschaft somit nicht das gesamte Jahr über grundstücksverwaltend tätig war, entfällt die Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 Gewerbesteuergesetz (GewStG).
Welches Kriterium ist für die Anwendbarkeit von § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG entscheidend?
Die Klägerin war eine GmbH, deren Geschäftszweck der Erwerb, die Verwaltung und der Verkauf von Grundstücken waren. Sie erwarb und verkaufte mehrere Immobilienobjekte. Im Streitjahr 2016 veräußerte sie ein Grundstück mit mehreren Einheiten, wobei der wirtschaftliche Übergang auf den Käufer “zu Beginn des 31.12.2016“ erfolgte. Der Kaufpreis wurde bereits Mitte Dezember bezahlt.
Die Klägerin machte in ihrer Gewerbesteuererklärung für 2016 die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG geltend. Zunächst akzeptierte das Finanzamt, später jedoch lehnte es die erweiterte Grundstückskürzung ab. Das Finanzamt argumentierte, dass der Geschäftszweck der Klägerin auf den Erwerb und Verkauf von Grundstücken ausgerichtet sei, nicht auf deren Verwaltung. Auch die einfache Gewerbesteuerkürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG wurde nicht berücksichtigt. Die gegen die Änderungsbescheide erhobenen Einsprüche und die Klage vor dem Finanzgericht (FG) blieben erfolglos. Der BFH hob das Urteil des FG auf und gewährte nur die einfache gewerbesteuerliche Kürzung.
Einfache vs. erweiterte Gewerbesteuerkürzung: Welche Änderungen und neuen Möglichkeiten ergeben sich ab 2025?
Nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG (alte Fassung) kann der Gewinn um 1,2 % des Wertes des Betriebsvermögens, das aus Grundbesitz besteht und nicht von der Grundsteuer befreit ist, reduziert werden. Dies wird als einfache Kürzung bezeichnet. Nach der neuen Fassung des § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG kann mit Wirkung ab dem 01.01.2025 die tatsächlich gezahlte Grundsteuer mindernd geltend gemacht werden.
Alternativ können Grundstücksunternehmen auf Antrag eine erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG erhalten. Diese gilt für Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder zusätzlich eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder auch Wohnungsbau fördern sowie Ein- oder Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern. Daneben müssen weitere enge gesetzliche Voraussetzungen eingehalten werden. So darf der Umfang an mitvermieteten Betriebsvorrichtungen gewisse Grenzen nicht überschreiten und die Vermietung darf auch nicht Teil einer Betriebsaufspaltung sein. Bei Erfüllung der Voraussetzung wird die Summe aus Gewinn und Hinzurechnungen um den Anteil des Gewerbeertrags reduziert, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt. Dieser Teil des Gewerbeertrags wird somit von der Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer vollständig ausgenommen und nicht mit Gewerbesteuer belastet.
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Ausschließlichkeit bei der erweiterten Kürzung: Was bedeutet der gesamte Erhebungszeitraum für Gewerbesteuerpflichtige?
Im Streitfall war insbesondere umstritten, ob die Klägerin über den gesamten Erhebungszeitraum ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltete und nutzte. Der Begriff der Ausschließlichkeit bei der erweiterten Grundstückskürzung ist gleichermaßen qualitativ, quantitativ sowie zeitlich zu verstehen. Daher ist es nach Auffassung des BFH auch aus zeitlicher Sicht erforderlich, dass das jeweilige Grundstücksunternehmen während des gesamten Erhebungszeitraums ausschließlich der Grundstücksverwaltung nachgeht. Eine zeitanteilige Kürzung des Gewerbeertrages ist nicht möglich.
Eine ausschließliche Nutzung ist demnach nicht mehr gegeben, sobald ein Unternehmen alle Grundstücke veräußert und somit für einen Teil des Erhebungszeitraumes keiner grundstücksverwaltenden Tätigkeit mehr nachgeht. Eine Ausnahme besteht nur, wenn die Grundstücke zum 31.12. bis 23.59 Uhr veräußert werden. Im Streitfall erfolgte die Veräußerung nach dem Wortlaut des Vertrages jedoch bereits zu Beginn des 31.12., sodass während des gesamten Tages die Gesellschaft keiner grundstücksverwaltenden Tätigkeit mehr nachging. Sie verwaltete an diesem Tag lediglich das Kapitalvermögen auf den vorhandenen Konten. Die erweiterte Grundstückskürzung war somit während des gesamten Erhebungszeitraumes nicht zu gewähren.
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Unsere Einschätzung: Warum bei beabsichtigter Grundstückskürzung der Verkaufszeitpunkt des letzten Grundstücks so wichtig ist
Die Entscheidung des BFH zeigt, dass das Ausschließlichkeitskriterium der erweiterten gewerbesteuerlichen Kürzung sehr streng auszulegen ist. Selbst kurze Zeiträume der Ausübung einer schädlichen Tätigkeit oder in denen kein eigener Grundbesitz verwaltet wird können zur Verwehrung der erweiterten gewerbesteuerlichen Kürzung führen.
Nach der Veräußerung des Grundbesitzes verwaltete die Gesellschaft nur noch Kapitalvermögen. Die Verwaltung von Kapitalvermögen ist neben der Grundstücksverwaltung grundsätzlich eine unschädliche Tätigkeit. Wenn sie jedoch – auch nur für einen kurzen Zeitraum – allein und ohne andere Tätigkeiten ausgeführt wird, gilt sie als nicht begünstigt und führt zur Verwehrung der erweiterten gewerbesteuerlichen Kürzung. Steuerpflichtige sollten daher im Falle der Nutzung der erweiterten gewerbesteuerlichen Grundstückskürzung darauf achten, dass insbesondere bei der Veräußerung des letzten Grundstücks eine passende Vertragsgestaltung vorgenommen wird, um die Kürzung im Erhebungszeitraum nicht zu gefährden.
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