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4. Juni 2025

Freiberufliche Mitunternehmerschaft in der Zahnarztpraxis: Wann droht Gewerblichkeit?

Kategorien: Steuerberatung

Schließen sich mehrere Zahnärzt:innen zur gemeinsamen Berufsausübung zusammen, erzielen sie im Rahmen einer Mitunternehmerschaft Einkünfte aus selbständiger Arbeit im Sinne des § 18 EStG. Der BFH hatte nun über einen Fall zu urteilen, in dem einer der Mitunternehmer nur noch fast ausschließlich geschäftsführend für die Praxis tätig war und kaum noch eigene Patient:innen behandelt hat. Hier stellte sich die Frage, ob damit die Freiberuflichkeit der gesamten Praxis gefährdet ist.

Warum der BFH in seiner Revisionsentscheidung eine gewerbliche Infizierung verneint

Im zugrunde liegenden Urteilsfall (BFH-Urteil vom 04.02.2025 – VIII R 4/22) hatte der BFH die Frage zu klären, ob einer Partnerschaftsgesellschaft bestehend aus mehreren Zahnärzt:innen die gewerbliche Infizierung droht, weil der Seniorpartner, ein approbierter Zahnarzt, in den Streitjahren eine fast ausschließliche geschäftsführende Funktion eingenommen hat und dafür einen Gewinnanteil erhalten hat. Nebenbei behandelte er in geringem Umfang auch ein paar eigene Patient:innen.

Das Finanzamt versagte aufgrund der geschäftsführenden Tätigkeit des Seniorpartners die Freiberuflichkeit und unterstellte eine gewerbliche Infektion der gesamten Praxis. Hiergegeben erhob die Partnerschaftsgesellschaft Klage. Das Finanzgericht wies die Klage jedoch ab, lies aber die Revision zu. Somit klagte die Partnerschaftsgesellschaft erneut vor dem Bundesfinanzhof (BFH). Dieser hob das Urteil des Finanzgerichts auf und gab der Klage statt. Begründung hierfür war, dass der geschäftsführend tätige Senior-Mitunternehmer:innen in den Augen des BFH selbst nebenbei (noch) freiberuflich tätig geworden ist.

Bisherige Rechtsprechung des BFH: Abstellung auf „freiberuflichen Einzelkämpfer“

In einer freiberuflichen Mitunternehmerschaft, die selbständige Einkünfte gemäß § 18 EStG erzielt, muss jede:r Mitunternehmer:in den freien Beruf selbst ausüben.

Der BFH hat die freien Berufe immer nach einem bestimmten Leitbild festgelegt. Hierbei wurde im Rahmen einer Mitunternehmerschaft stets auf einen „freiberuflichen Einzelkämpfer”, also eine Zahnärztin bzw. einen Zahnarzt mit eigener Praxis abgestellt. Demnach muss jede:r Mitunternehmer:in im Rahmen der Mitunternehmerschaft sämtliche Tätigkeiten ausüben, die auch eine Zahnärztin oder ein Zahnarzt in einer Einzelpraxis ausüben würde.


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Was versteht man unter freiberuflichen Einkünften einer Mitunternehmerschaft und was sind die Voraussetzungen?

Freiberufliche Einkünfte einer Mitunternehmerschaft beziehen sich auf die Einkünfte, die aus der Ausübung einer freiberuflichen Tätigkeit innerhalb einer Personengesellschaft (z. B. Partnerschaftsgesellschaft oder auch Gesellschaft bürgerlichen Rechts) erzielt werden.

Eine Mitunternehmerschaft liegt vor, wenn mehrere Gesellschafter:innen gemeinsam ein Unternehmen (hier: mehrere Zahnärzt:innen führen gemeinsam eine Zahnarztpraxis) betreiben und dabei sowohl jeweils ein Mitunternehmerrisiko tragen als auch Mitunternehmerinitiative entfalten.

Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören zu den freiberuflichen Tätigkeiten insbesondere wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische und erzieherische Tätigkeiten sowie die selbständige Berufsausübung von Ärzt:innen, Rechtsanwält:innen, Ingenieur:innen, Steuerberater:innen und ähnlichen Berufen.

Wichtige Voraussetzung für die Freiberuflichkeit ist die eigenverantwortliche und persönliche Leistungserbringung. Das bedeutet, dass der bzw. die Freiberufler:in seine bzw. ihre Leistungen selbst erbringt und nicht überwiegend durch angestellte Mitarbeitende.

Eine freiberufliche Mitunternehmerschaft liegt vor, wenn mehrere Personen gemeinsam eine freiberufliche Tätigkeit ausüben und dabei die Merkmale der Mitunternehmerschaft erfüllen.

Welche Rolle spielt die kaufmännische Führung durch eine:n Berufsträger:in?

Wenn eine Mitunternehmerin oder ein Mitunternehmer nur noch die kaufmännische Leitung der Praxis innehat und keine eigenen Patient:innen mehr behandelt, stellt sich die Frage, ob diese:r noch freiberuflich tätig ist.

Freiberufliche Einkünfte sind von gewerblichen Einkünften abzugrenzen. Eine gewerbliche Infizierung kann jedoch eintreten, wenn ein:e Gesellschafter:in der Mitunternehmerschaft Tätigkeiten ausübt, die nicht dem Berufsbild des freien Berufs entsprechen, wie z. B. überwiegend verwaltende Tätigkeiten.

Wie unterscheidet sich eine freiberufliche von einer gewerblichen Tätigkeit?

Die wesentlichen Unterschiede der gewerblichen Einkünfte im Gegensatz zu freiberuflichen Einkünften sind:

  1. In der Regel Pflicht zur Bilanzierung bei Überschreiten bestimmter Umsatz- und Gewinngrenzen:
    • Gewerbetreibende müssen eine doppelte Buchhaltung anfertigen und einen Jahresabschluss (bestehend aus einer Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung) erstellen.
    • Freiberufler können unabhängig von der Höhe ihres Umsatzes und Gewinns die vereinfachte Gewinnermittlungsform der “Einnahmen-Überschuss-Rechnung (EÜR) in Anspruch nehmen.
  2. Gewerbesteuer
    • Gewerbetreibende unterliegen (anders als Freiberufler:innen) mit ihrem Gewinn noch zusätzlich der Gewerbesteuer. Diese ist an die zuständige Gemeinde abzuführen. Damit keine doppelte Steuerbelastung vorliegt, wird die zu zahlende Gewerbesteuer meist größtenteils auf die persönliche Einkommensteuer angerechnet (Steuerermäßigung nach § 35 EStG)
  3. Pflichtmitgliedschaft in der zuständigen IHK (inkl. Pflicht zur Beitragsentrichtung)

Welche Handlungsempfehlungen ergeben sich für bestehende oder geplante Gesellschaften?

In größeren Praxiseinheiten fallen vermehrt administrative Aufgaben an, die eine eigenständige Geschäftsführung der Praxis notwendig machen. Diese werden im Regelfall unter mehreren Mitunternehmer:innen aufgeteilt.

Die ist aus steuerlicher Sicht auch erforderlich: Würde die Geschäftsführung durch eine außenstehende Person übernommen, kann dies der gesamten Mitunternehmerschaft die Anerkennung als freiberuflich tätige Gesellschaft kosten.

Nicht selten werden geschäftsführenden Tätigkeiten durch die Senior-Partner:innen übernommen, da sie mit den kaufmännischen Gegebenheiten in der Praxis vertraut sind und sich so schrittweise aus der laufenden Behandlung von Patient:innen zurückziehen können. Um auch hier die Freiberuflichkeit der gesamten Praxis nicht zu gefährden, sollte darauf geachtet werden, dass die für die Gesellschaft kaufmännisch tätige Person nebenbei auch noch eigene Patient:innen behandelt.

Warum das BFH-Urteil das Problem der gewerblichen Abfärbung noch nicht in Gänze löst: Unsere Einschätzung

Das Urteil des BFH dürfte für einige Zahnarztpraxen interessant sein. Denn je größer die Praxiseinheit ist, desto schneller kann eine solche Konstellation wie im Urteilsfall entstehen.

Allerdings ist das Problem durch das BFH-Urteil nicht eindeutig gelöst. Im zugrunde liegenden Fall war der Senior-Partner zwar fast ausschließlich als Manager im Rahmen seiner Mitunternehmerschaft tätig, jedoch hat er nebenbei (wenn auch in geringem Umfang) weiterhin eigene Patient:innen behandelt und dadurch eigenen Umsatz für die Praxis erwirtschaftet.

Es bleibt somit ungeklärt, ob eine freiberufliche Mitunternehmerschaft auch dann noch gegeben wäre, wenn eine:r der Gesellschafter:innen nur noch ausschließlich geschäftsführend für die Praxis tätig ist und keine eigenen Behandlungen mehr durchführt.  Sie haben Fragen zu einer drohenden gewerblichen Mitunternehmerschaft? Unsere Steuerberaterin Stefanie Anders unterstützt Sie bei allen Ihren Anliegen. Nehmen Sie einfach Kontakt auf.

Stefanie Anders

Partnerin und Steuerberaterin

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