
13. Mai 2025
Mehr Barrierefreiheit durch das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz 2025
Inhaltsverzeichnis
- Für wen gilt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz? Welche Produkte und Dienstleistungen erfasst das Gesetz?
- Für welche Geschäfte gilt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz und welche Unternehmen sind ausgenommen?
- Was sind Kleinstunternehmen gemäß § 2 Nr. 17 BFSG?
- Gibt es weitere Sonderregelungen im Barrierefreiheitsstärkungsgesetz?
- Welche Anforderungen muss eine Webseite erfüllen, falls das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz Anwendung findet?
- Welche Standards ergeben sich aus § 14 Barrierefreiheitsstärkungsgesetz?
- Für welche Webseiten gilt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz? Für welche gilt es nicht?
- Wer überwacht die Einhaltung des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes und welche Sanktionen drohen bei Verstoß?
- Welche Übergangsfristen im BFSG gibt es?
- Wie Sie Abmahnungen und Bußgelder vermeiden: Unsere Einschätzung
Am 28.6.25 tritt das BFSG in Deutschland in Kraft. Das Gesetz soll die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderung stärken. Wen betrifft das Gesetz? Welche Produkte und Dienstleistungen müssen barrierefrei sein? Und was bedeutet das für Unternehmen? Wir geben einen Überblick.
Für wen gilt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz? Welche Produkte und Dienstleistungen erfasst das Gesetz?
Ab dem 29. Juni 2025 gilt das BFSG für bestimmte digitale Produkte und Dienstleistungen, die ab diesem Datum in den Verkehr gebracht oder erbracht werden. Unternehmen wie Händler:innen, Hersteller:innen, Importeur:innen und Dienstleister:innen müssen dann die Anforderungen an die Barrierefreiheit erfüllen, die im Folgenden näher erläutert werden.
Folgende Dienstleistungen sind vom BFSG erfasst:
- Telefondienste
- E-Books
- Messenger-Dienste
- Auf Mobilgeräten angebotene Dienstleistungen im überregionalen Personenverkehr
- Bankdienstleistungen
- Elektronischer Geschäftsverkehr
- Personenbeförderungsdienste
Folgende Produktbereiche regelt das BFSG:
- Computer
- Notebooks
- Tablets
- Smartphones
- Geldautomaten
- Fahrausweis- und Check-In-Automaten
- E-Book-Lesegeräte
- Router
Für welche Geschäfte gilt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz und welche Unternehmen sind ausgenommen?
Das BFSG gilt nur für B2C-Geschäfte, also für Geschäfte zwischen Unternehmen und Verbraucher:innen. Private (C2C) und geschäftliche (B2B) Angebote fallen nicht unter das Gesetz. Auch Kleinstunternehmen gemäß § 2 Nr. 17 BFSG, die im BFSG geregelte Dienstleistungen anbieten (§ 3 Abs. 3 S. 1 BFSG), sind nur eingeschränkt vom Anwendungsbereich des Gesetzes betroffen.
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Was sind Kleinstunternehmen gemäß § 2 Nr. 17 BFSG?
Kleinstunternehmen sind Unternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten und einem maximalen Jahresumsatz oder einer Jahresbilanzsumme von 2 Millionen Euro. Grundsätzlich müssen Unternehmen eine Bewertung durchführen, dokumentieren, aufbewahren und die Marktüberwachungsbehörden informieren. Diese Pflichten gelten jedoch nicht für Kleinstunternehmen. Ferner müssen Kleinstunternehmen, die mit Produkten befasst sind, keine Dokumentation erstellen und aufbewahren. Sie können aber aufgefordert werden, die Ergebnisse ihrer Bewertung mitzuteilen.
Gibt es weitere Sonderregelungen im Barrierefreiheitsstärkungsgesetz?
Ausnahmen können bei einer aktuell unverhältnismäßigen Belastung nach § 17 BFSG i. V. m. Anlage 4 BFSG oder einer grundlegenden Veränderung nach § 16 Abs. 1 BFSG greifen. Erbringt ein Unternehmen keine relevanten Dienstleistungen oder erzeugt kein für das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz relevantes Produkt, muss es die Regelungen des BFSG nicht beachten.
Es ist jedoch möglich, dass der Anwendungsbereich des BFSG in Zukunft auf weitere Produkte und Dienstleistungen ausgeweitet wird. Denn einer der Hauptkritikpunkte im Gesetzgebungsverfahren war der zu enge Geltungsbereich.
Welche Anforderungen muss eine Webseite erfüllen, falls das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz Anwendung findet?
Wenn das BFSG Anwendung findet, müssen betroffene Unternehmen gemäß § 3 BFSG den barrierefreien Zugang zu ihren Produkten und Dienstleistungen sicherstellen. Das bedeutet: Menschen mit Behinderung müssen die Produkte und Dienstleistungen ohne besondere Hindernisse und Erschwernis auf übliche Weise und grundsätzlich ohne fremde Hilfe finden, nutzen und darauf zugreifen können. Die detaillierten Anforderungen sind in der entsprechenden Rechtsverordnung zum BFSG sowie den einzuhaltenden Standards festgelegt.
Welche Standards ergeben sich aus § 14 Barrierefreiheitsstärkungsgesetz?
Gemäß § 14 BFSG treffen die Unternehmen folgende Verpflichtungen:
- Die Einhaltung und Aufrechterhaltung der Barrierefreiheitsanforderungen nach der BFSG-Verordnung (BFSGV)
- Informationspflicht: Die Einhaltung der Anforderungen muss klar erkennbar gemacht werden, etwa in den AGB. Dazu gehört eine verständliche Beschreibung der gesetzlichen Vorgaben und angebotenen Dienstleistung in einem barrierefreien Format.
- Aufbewahrungspflicht: Die relevanten Informationen müssen während der gesamten Dauer der Dienstleistung archiviert werden.
- Ergreifung von Korrekturmaßnahmen, falls die Barrierefreiheitsanforderungen nicht mehr erfüllt sind.
- Meldepflicht: Falls eine Nichtkonformität festgestellt wird, muss dies samt den ergriffenen Maßnahmen der Marktüberwachungsbehörde gemeldet werden.
- Kooperationspflicht mit der Marktüberwachungsbehörde, einschließlich der Bereitstellung von Informationen, um die Einhaltung der Vorschriften nachzuweisen.
Für welche Webseiten gilt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz? Für welche gilt es nicht?
Das BFSG regelt nicht nur die Barrierefreiheit für Produkte und Dienstleistungen, sondern auch die Barrierefreiheit von Websites bestimmter Branchen und generell Branchen „im elektronischen Geschäftsverkehr“ (E-Commerce).
Ausdrücklich erwähnt sind die Webseiten von Banken, Online-Banking und Bankdienstleistungen sowie von Telekommunikationsdiensten und Personenbeförderungsdiensten – mit Ausnahme des Regionalverkehrs.
Die „Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr“ sind in § 2 Nr. 26 BFSG definiert. Hierunter fallen Online-Shops, E-Commerce und Webseiten, die einen Vertragsschluss online anbieten, die „auf individuelle Anfrage eines Verbrauchers im Hinblick auf den Abschluss eines Verbrauchervertrages elektronisch erbracht“ werden. Diese recht unbestimmte Formulierung wird die Abgrenzung des Geltungsbereichs im Einzelfall der Rechtspraxis überlassen müssen.
Inhalte, die als zeitbasierte Medien gelten, etwa aufgezeichnete Audio- oder Video-Dateien, müssen nicht barrierefrei sein. Ebenso Inhalte, die nach dem 28. Juni 2025 nicht mehr überarbeitet oder aktualisiert werden können.
Der Fokus bei letzterem liegt darauf, dass der ganze Shop bzw. die Webseite als eine Art Archiv ruhen muss und nicht nur einzelne Bereiche oder Beiträge nicht mehr überarbeitet werden.
Grundsätzlich gilt: Es gibt nur barrierefrei und nicht barrierefrei. Dabei ist zu beachten, dass allein der abgrenzbare Teil, für den das BFSG gilt, barrierefrei sein muss.
Wer überwacht die Einhaltung des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes und welche Sanktionen drohen bei Verstoß?
Gesetzlich ist ein Melde- und Monitoring-System für die Einhaltung des BFSG durch Marktüberwachungsbehörden vorgesehen. Bei Verstößen und Nicht-Einhaltung werden Bußgelder in Höhe von bis zu 100.000 Euro verhängt. Als Ultima Ratio kann sogar die Abschaltung des Onlineshops bzw. der Webseite erfolgen.
Ferner stellen viele Regeln des BFSG eine Marktverhaltensregel nach § 3a UWG dar, sodass Verstöße wettbewerbswidrig sind und von Mitbewerber:innen sowie von nach dem Behindertengleichstellungsgesetz anerkannten Verbänden und Einrichtungen kostenpflichtig abgemahnt werden können.
Welche Übergangsfristen im BFSG gibt es?
Im Barrierefreiheitsstärkungsgesetz sind Übergangsfristen für Dienstleistungen unter dem Einsatz von Produkten und Selbstbedienungsterminals geregelt.
Onlineshops und Webseiten fallen nicht unter diese Übergangsfristen und müssen ab dem 29. Juni 2025 barrierefrei sein. Dienstleistungen, die nur mithilfe von Produkten, die in den Anwendungsbereich des BFSG fallen, erbracht werden können, dürfen bis 27. Juni 2030 weiterhin mit diesen Produkten erbracht werden, d. h. es gibt eine Übergangsbestimmung von 5 Jahren. Nicht barrierefreie Selbstbedienungsterminals bleiben bis zum Ende ihrer wirtschaftlichen Nutzungsdauer bestehen – maximal jedoch bis 2040. Hier gilt also eine Übergangsfrist von 15 Jahren.
Technische Anforderungen in der Praxis – worauf Unternehmen achten müssen
In der konkreten Umsetzung des BFSG müssen betroffene Unternehmen sicherstellen, dass ihre digitalen Produkte und Dienstleistungen den technischen Anforderungen der Barrierefreiheit entsprechen – insbesondere gemäß der europäischen Norm EN 301 549. Das betrifft insbesondere Webseiten, mobile Anwendungen und digitale Schnittstellen. Technisch bedeutet das zum Beispiel, dass Websites semantisch korrekt aufgebaut sind (z. B. mit sinnvollen HTML-Strukturelementen wie <header>, <nav> oder <main>), die Inhalte mit der Tastatur bedienbar sind und Alternativen für audiovisuelle Inhalte bereitgestellt werden. Auch eine kontrastreiche Darstellung, skalierbare Schriftgrößen und gut lesbare Texte sind essenzielle Anforderungen. Automatisierte Test-Tools wie WAVE, axe oder Lighthouse können helfen, erste Schwachstellen zu erkennen – sie ersetzen aber keine manuelle Prüfung, z. B. durch Menschen mit Behinderung.
Tipp: Bei Bedarf stellen wir Ihnen eine praxisorientierte Checkliste zur technischen Umsetzung der BFSG-Anforderungen zur Verfügung – speziell für mittelständische Unternehmen aufbereitet.
Schrittweise Umsetzung – Tipps für den Mittelstand
Gerade für kleine und mittlere Unternehmen empfiehlt sich ein gestufter Ansatz. Starten Sie mit einer Bestandsaufnahme: Welche digitalen Kanäle betreiben Sie aktuell, welche sind vom BFSG betroffen? Priorisieren Sie anschließend notwendige Anpassungen – z. B. beginnend mit dem Online-Shop oder zentralen Servicebereichen. Nutzen Sie vorhandene CMS-Plugins, Frameworks oder Themes, die Barrierefreiheit bereits mitbringen, und schulen Sie Ihre Content-Teams im Umgang mit barrierefreier Sprache und Struktur. Auch eine frühzeitige Abstimmung mit Webdienstleistern und Entwickler:innen spart Zeit und Geld.
Wie Sie Abmahnungen und Bußgelder vermeiden: Unsere Einschätzung
Wir begrüßen die Einführung des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes, da es die Gleichheit in der Gesellschaft fördert und die Teilhabe von Menschen mit Behinderung an der Gesellschaft stärkt.
Auch wenn das Gesetz erst Ende Juni in Kraft tritt, sollten Sie jetzt schon prüfen, ob Ihr Unternehmen unter den Anwendungsbereich des BFSG fällt und welche Anpassungen ggf. notwendig sind. Eine frühzeitige Analyse und Umsetzung sind wichtig, um Abmahnungen oder Bußgelder zu vermeiden.
Haben Sie Fragen zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz? Unsere Berater:innen unterstützen Sie bei der Prüfung Ihrer Webseite oder Ihres Onlineshops und begleiten Sie bei der Umsetzung der Anforderungen des BFSG. Kontaktieren Sie uns gerne!
Vermerk: Bitte beachten Sie, dass in diesem Dokument bei den durch Gesetze festgeschriebenen Begriffen auf das Gendern verzichtet wird, um die juristische Präzision und Klarheit zu wahren. In allen anderen Textteilen wird eine gendergerechte Sprache verwendet, um die Gleichstellung aller Geschlechter zu fördern.