13. Dezember 2024
Neuerungen bei Grenzüberschreitenden Finanzierungsbeziehungen
Inhaltsverzeichnis
- Welchen Hintergrund haben § 1 Abs. 3d und 3e AStG?
- Einführung eines Abzugsverbots für grenzüberschreitende Finanzierungsbeziehungen
- Was ist eine multinationale Unternehmensgruppe?
- Finanzierungsbeziehungen gemäß §1 Abs. 3d AStG – ein Überblick
- Finanzierungsfunktionen gemäß § 1 Abs. 3e AStG – ein Überblick
- Erste Einschätzung
- Tatsächlich kein Bestandsschutz in Bezug auf bestehende Finanzierungsbeziehungen?
- Erleichterungen durch Verwaltungsgrundsätze
- Ausblick
- Kontaktformular
Mit dem Wachstumschancengesetz 2024 wurden weitreichende Änderungen für grenzüberschreitende Finanzierungsbeziehungen eingeführt. § 1 Abs. 3d und 3e AStG bringen neue Herausforderungen für multinationale Unternehmensgruppen. Von Schuldentragfähigkeitstests bis hin zu Gruppenratings – die neuen Regelungen erfordern erhöhte Aufmerksamkeit. Jetzt wurde hierzu auch die Verwaltungsauffassung veröffentlicht. Erfahren Sie, welche Auswirkungen diese Änderungen auf Ihr Unternehmen haben können und wie Sie sich darauf vorbereiten sollten.
Welchen Hintergrund haben § 1 Abs. 3d und 3e AStG?
In der Vergangenheit kam es vermehrt zu Aufgriffen in Betriebsprüfungen in Bezug auf Inbound-Finanzierungen. Bei solchen Aufgriffen hatte die in Deutschland ansässige Schuldnerin bei stand-alone-Betrachtung regelmäßig ein so schlechtes Bonitäts-Rating, dass ihr ein Darlehen aus dem Ausland nur unter Berücksichtigung eines Risikozinszuschlags gewährt wurde. Die Betriebsprüfung erhebt häufig den Vorwurf, dass deutsches Steuersubstrat über den aus einem Inbound-Darlehen resultierenden Zinsaufwand in das Ausland abgeführt werde und dies nicht fremdüblich sei.
Die Häufigkeit der Prüfungsaufgriffe wird auch durch die zuletzt ergangenen Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (u. a. vom 18.05.2021 sowie vom 13.01.2022) zur Fremdüblichkeit von Darlehensverhältnissen zwischen nahestehenden Personen widergespiegelt. Dabei hat der BFH unter anderem festgestellt, dass:
- bei dem Fremdvergleich von Darlehenszinsen vorrangig die Preisvergleichsmethode anzuwenden ist,
- grundsätzlich das Einzelrating, also das (ggf. adjusted) stand alone-Rating, maßgeblich ist,
- auch ein unbesichertes Darlehen fremdvergleichskonform sein kann,
- das Finanzamt die Beweislast für den Fremdvergleichsgrundsatz trägt.
Einführung eines Abzugsverbots für grenzüberschreitende Finanzierungsbeziehungen
Neben diesen Entwicklungen in der Rechtsprechung, die bei der Finanzverwaltung vermutlich nicht auf Begeisterung gestoßen sind, hatte sich diese spätestens 2021 selbst verpflichtet, die Angemessenheit von Finanzierungsbeziehungen auf Basis der OECD-Verrechnungspreisleitlinien 2022 zu bewerten.
Grenzüberschreitende Finanzierungsbeziehungen fanden somit auch Eingang in den Koalitionsvertrag der nunmehr gescheiterten Ampel-Koalition. Während zunächst eine Zinshöhenschranke (§ 4l EStG-E) eingeführt werden sollte, wurden mit dem Wachstumschancengesetz vom 27. März 2024 Regelungen zu grenzüberschreitenden Finanzierungsbeziehungen in § 1 Abs. 3d und 3e AStG eingeführt, die gemäß § 21 Abs. 1a AStG bereits für den Veranlagungszeitraum 2024 anzuwenden sind.
§ 1 Abs. 3d AStG und § 1 Abs. 3e AStG normieren erstmals konkrete Grundsätze für grenzüberschreitende Finanzierungsbeziehungen und -dienstleistungen innerhalb einer multinationalen Unternehmensgruppe. Sie sollen sicherstellen, dass Gewinne trotz Finanzierungsbeziehungen dort angemessen besteuert werden, wo sie wirtschaftlich auf Basis der ausgeübten Geschäftstätigkeiten entstehen.
Was ist eine multinationale Unternehmensgruppe?
Eine multinationale Unternehmensgruppe besteht aus mindestens zwei in verschiedenen Staaten ansässigen Unternehmen oder aus mindestens einem Unternehmen mit mindestens einer Betriebsstätte in einem anderen Staat. Zudem müssen diese Parteien als „nahestehende Personen“ im Sinne des § 1 Abs. 2 AStG anzusehen sein.
Finanzierungsbeziehungen gemäß §1 Abs. 3d AStG – ein Überblick
Nach § 1 Abs. 3d Nr. 1 AStG bleibt ein aus der Finanzierungsbeziehung resultierender Aufwand nur dann als Betriebsausgabe abzugsfähig, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft machen kann, dass er
- den Kapitaldienst für die gesamte Laufzeit dieser Finanzierungsbeziehung von Anfang an hätte erbringen können (sog. debt capacity test oder Schuldentragfähigkeitstest) und
- die Finanzierung wirtschaftlich benötigt und für den Unternehmenszweck verwendet (sog. utilisation test oder Mittelverwendungstest).
Werden diese Kriterien nicht erfüllt, droht laut dem Gesetzeswortlaut ein vollständiges Versagen des Zinsabzugs.
Ferner droht ein anteiliges Versagen des Zinsabzugs gemäß § 1 Abs. 3d Nr. 2 AStG, soweit der Steuerpflichtige einen Zins für die Finanzierung zahlt, der über demjenigen Zins liegt, zu dem sich das Unternehmen unter Zugrundelegung des Ratings für die gesamte Unternehmensgruppe gegenüber fremden Dritten finanzieren könnte (sog. group rating test oder Konzernfinanzierungstest).
Finanzierungsfunktionen gemäß § 1 Abs. 3e AStG – ein Überblick
Neben der Vermittlung oder Weiterleitung von Liquidität umfassen Finanzierungsfunktionen auch die Steuerung von Finanzmitteln. Gemäß § 1 Abs. 3e AStG gelten Finanzierungsfunktionen regelmäßig als Routinefunktionen. Dies führt dazu, dass der:die Leistungserbringer:in lediglich ein geringer, aber stabiler Gewinn, der sogenannte Routinegewinn, zusteht. Laut Gesetzesbegründung erwartet der Gesetzgeber, dass entsprechende Leistungen mit einem Kostenaufschlag zwischen 5% – 10% auf die direkt zuordenbaren Kosten beaufschlagt werden.
Ein Gegenbeweis unter Vorlage einer Funktions- und Risikoanalyse bleibt möglich.
Erste Einschätzung
Insbesondere mit § 1 Abs. 3d AStG weicht Deutschland erheblich vom internationalen Konsens der OECD-Verrechnungspreisleitlinie 2022 ab. Nach dieser ist zum einen die Angemessenheit eines Zinssatzes nach dem individuellen Rating des Darlehensnehmers (wenn auch unter Einbezug des Konzernrückhalts) zu beurteilen und zum anderen führt das Nicht-Bestehen des Schuldentragfähigkeitstests regelmäßig lediglich zu einem anteiligen Zinsabzugsverbot. Damit drohen Doppelbesteuerungsrisiken, da der nationale Fremdvergleichsgrundsatz im Sinne des § 1 Abs. 3d AStG vom abkommensrechtlichen Fremdvergleichsgrundsatz im Sinne des Art. 9 des OECD-Musterabkommens abweicht.
Entgegen der Rechtsprechung besteht von Gesetzes wegen eine Beweislastumkehr. Die Glaubhaftmachung der Fremdüblichkeit seiner Finanzierungsbeziehungen liegt nun beim Steuerpflichtigen.
Tatsächlich kein Bestandsschutz in Bezug auf bestehende Finanzierungsbeziehungen?
Das Fehlen eines Bestandsschutzes wurde auch vom Gesetzgeber erkannt. Ausweislich des am 18. Oktober 2024 verabschiedeten Jahressteuergesetzes 2024 ist § 1 Abs. 3d AStG nicht auf Finanzierungsaufwand anzuwenden, der in 2024 entsteht und auf Finanzierungsbeziehungen beruht, die vor dem 01. Januar 2024 zivilrechtlich vereinbart wurden und tatsächlich vor dem 01. Januar 2024 begonnen und bis zum 31. Dezember 2024 nicht (wesentlich) geändert wurde. Für alle anderen Finanzierungsbeziehungen sind die Neuregelungen jedoch bereits ab dem Veranlagungszeitraum 2024 zu berücksichtigen.
Erleichterungen durch Verwaltungsgrundsätze
Mit Schreiben vom 12. Dezember 2024 hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) die Überarbeitung der Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2024 veröffentlicht.
Offenbar hat das BMF erkannt, dass die Regelungen in § 1 Abs. 3d und 3e AStG über die OECD-Verrechnungspreisleitlinien 2022 hinausgehen und einen möglichen Doppelbesteuerungskonflikt bergen. Dies zeigt sich in den folgenden, nicht abschließenden Punkten in Bezug auf § 1 Abs. 3d AStG:
- Beim Schuldentragfähigkeitstest stellt die Finanzverwaltung klar, dass ein Darlehen innerhalb der Laufzeit nicht vollständig getilgt werden muss, sondern auch Anschlussfinanzierungen möglich sind.
- Außerdem können im Schuldentragfähigkeitstest auch Liquiditätsreserven und Kapitalpuffer Berücksichtigung finden.
- Das BMF stellt klar, dass auch mit besonders hohen Risiken behaftete Finanzierungsbeziehungen nicht per se fremdunüblich sind und verweist dabei auf die Start-Up-Finanzierung.
- Der Mittelverwendungstest ist ausweislich der Finanzverwaltung dahingehend auszulegen, dass dem Steuerpflichtigen nach den Finanzierungskosten eine begründete Aussicht auf Rendite verbleiben muss.
- Eine Darlehensaufnahme für Zwecke einer Gewinnausschüttung widerspricht grundsätzlich nicht dem Unternehmenszweck und steht damit einhergehend nicht dem Mittelverwendungstest entgegen
- Wird die Schuldentragfähigkeit oder wirtschaftliche Notwendigkeit nicht glaubhaft gemacht, soll – entgegen des Gesetzeswortlauts – nur noch der überschießende fremdunübliche Teil einem Abzugsverbot unterliegen.
- Gemäß § 1 Abs. 3d Nr. 2 AStG soll der fremdübliche (d.h. anzuerkennende) Zinssatz auf denjenigen beschränkt sein, der sich aus dem Rating der Unternehmensgruppe (Konzernrating) ergibt. Hierbei gehen öffentliche Ratings privaten und mittels Software ermittelten Ratings vor. Dem Steuerpflichtigen bleibt es jedoch unbenommen, ein Rating bzw. einen Zinssatz nachzuweisen, der dem Fremdvergleichsgrundsatz besser entspricht.
- Die Höhe des angemessenen Darlehenszinssatzes soll auch von der strategischen Bedeutung des Darlehensnehmers für die Unternehmensgruppe abhängen. Insoweit wird der Entwurf um Top-down- und Bottom-up-Ansätze ergänzt
Der Entwurf des BMF-Schreibens enthält eher wenige Hinweise zu den Regelungen des § 1 Abs. 3e AStG betreffend sog. funktions- und risikoarme Finanzierungsdienstleistungen. Jedoch will man neben der Finanzierungsbeziehung noch eine weitere Transaktion erkennen, wenn die Ausreichung der Finanzierung und die tatsächliche Kontrolle der damit verbundenen Funktionen oder Risiken auseinanderfallen. Hier muss zukünftig eine besondere Sensibilität bestehen.
Ausblick
Die Konkretisierung im Rahmen der Verwaltungsgrundsätze 2024 ist insbesondere in Bezug auf § 1 Abs. 3d AStG zu begrüßen. Die Finanzverwaltung rudert in dieser Thematik zurück, um die Verwaltungspraxis – in Ansehung etwaiger Doppelbesteuerungskonflikte – in Einklang mit den Vorgaben der OECD-Verrechnungspreisleitlinien 2022 zu bringen. Während die veröffentlichte Fassung in Bezug auf § 1 Abs. 3e AStG weitreichende Klarstellungen vermissen lässt, ist negativ in Bezug auf § 1 Abs. 3d und 3e AStG hervorzuheben, dass eine verfahrensrechtliche Beweislastumkehr zuungunsten der Steuerpflichtigen verbleibt, die zu deutlich höherem Dokumentationsaufwand führen wird.
Dass den Steuerpflichtigen immer mehr Dokumentationspflichten auferlegt werden, ist bekannt und haben wir auch in diesem Blogbeitrag thematisiert: Zwei Schritte vor und einen zurück? Neuerungen zur Verrechnungspreisdokumentation ab 2025.
Gerne unterstützen wir Sie bei der Erfüllung etwaiger Dokumentationen bzw. Strukturierungen zur Vermeidung weiterer lt. ggf. Diskussionsentwurf anzunehmender Transaktionen.
Haben Sie weitere Fragen? Gerne steht Ihnen unser Transfer Pricing Team zur Verfügung.