
4. Oktober 2024
Zwei Schritte vor und einen zurück? Neuerungen zur Verrechnungspreisdokumentation ab 2025
Inhaltsverzeichnis
- Was ist eine Verrechnungspreisdokumentation?
- Welche Fristen gelten ab 2025 für die Verrechnungspreisdokumentation?
- Welche Sanktionen drohen bei Nichterfüllung der Verrechnungspreisdokumentationspflichten?
- Welche weitergehenden Sanktionen drohen ab 2025?
- Rolle rückwärts? Entwurf des Vierten Gesetzes zur Bürokratieentlastung
- Unsere Einschätzung
- Kontaktformular
Die Erstellung einer Verrechnungspreisdokumentation ist zeitintensiv und aufwändig. Ausweislich der (aktuell noch) ab dem 1. Januar 2025 anzuwendenden Gesetzesfassung verschärfen sich die Dokumentationspflichten für Verrechnungspreise. Neben den verschärften Dokumentationspflichten wurden Sanktionsmechanismen eingeführt, die auf diesen aufbauen. Zurückzuführen sind die Verschärfungen auf das Gesetz zur Umsetzung der DAC 7-Richtlinie der EU, mit dem die Außenprüfung modernisiert werden sollte. Demnach trifft den Steuerpflichtigen nun eine „faktische Fortschreibungspflicht“ seiner Verrechnungspreisdokumentation.
Mit dem vierten Bürokratieentlastungsgesetz, das sich derzeit im Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens befindet, sollen die Verschärfungen nunmehr teilweise revidiert werden.
In diesem Blogbeitrag erfahren Sie, ob die Verschärfungen erfolgreich durch das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz entschärft werden und welcher Handlungsbedarf verbleibt.
Was ist eine Verrechnungspreisdokumentation?
Steuerpflichtige haben über die Art und den Inhalt ihrer konzerninternen grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Abs. 3 AO zu erstellen. Art, Inhalt und Umfang der Aufzeichnungen ergeben sich aus der Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung („GAufzV“). Diese umfassen neben dem Local- auch das Master-File sowie solche über außergewöhnliche Geschäftsvorfälle.
Welche Fristen gelten ab 2025 für die Verrechnungspreisdokumentation?
Ausweislich der Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 2022 (BGBl. I S. 2730) soll sich die Vorlagefrist von Verrechnungspreisdokumentationen ab 2025 deutlich verkürzen.
Während in der aktuell anzuwendenden Fassung die Verrechnungspreisdokumentation auf Anforderung lediglich im Rahmen von Betriebsprüfungen und innerhalb von 60 Tagen vorzulegen ist, sieht die ab dem 01. Januar 2025 anzuwendende Fassung vor, dass jede Finanzbehörde jederzeit die Vorlage der Verrechnungspreisdokumentation verlangen kann und im Falle einer Außerprüfung der Finanzbehörde sogar ohne gesondertes Verlangen, d.h. aktiv, vorzulegen sind. Die Frist wird dabei auf 30 Tage reduziert.
Während es in der Vergangenheit durch die 60-tägige Frist faktisch noch möglich war, eine Verrechnungspreisdokumentation erst auf Anfrage anzufertigen, wird dies in Anbetracht der verkürzten Vorlagefrist von 30 Tagen künftig nicht mehr möglich sein. Mithin führt die ab dem 1. Januar 2025 anzuwendende Gesetzesfassung dazu, dass den Steuerpflichtigen eine „faktische Dokumentationspflicht“ trifft.
Umfasst von den Verschärfungen sind zum einen Steuern (und Steuervergünstigungen), die nach dem 31. Dezember 2024 entstehen und zum anderen Steuern (und Steuervergünstigungen), die vor dem 01. Januar 2025 entstehen, wenn für diese nach dem 31. Dezember 2024 eine Prüfungsanordnung bekanntgegeben wurde. Das bedeutet, dass die Finanzverwaltung jederzeit – also unabhängig von einer Betriebsprüfung und somit bereits im Veranlagungsverfahren – die Vorlage einer Verrechnungspreisdokumentation anfordern kann und dass der Betriebsprüfung die Verrechnungspreisdokumentation nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung innerhalb von 30 Tagen vorzulegen ist.
Welche Sanktionen drohen bei Nichterfüllung der Verrechnungspreisdokumentationspflichten?
Erstellt der Steuerpflichtige keine bzw. nur eine unverwertbare Verrechnungspreisdokumentation oder erstellt er diese nicht zeitnah, droht bereits nach der aktuell gültigen Gesetzesfassung eine Vielzahl von Sanktionen. Die Finanzbehörde vermutet nicht nur widerlegbar, dass die im Inland steuerpflichtigen Einkünfte höher als die deklarierten sind, sondern hat auch eine erweiterte Schätzungsbefugnis, die zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeübt werden soll. Überdies ist sie angewiesen, einen Zuschlag festzusetzen, der in Fällen der Hinzuschätzung mindestens 5 % und höchstens 10 % des (hinzugeschätzten) Mehrbetrages beträgt und der in Fällen der verspäteten Abgabe verwertbarer Aufzeichnungen bis zu 1.000.000 Euro betragen kann.
Welche weitergehenden Sanktionen drohen ab 2025?
Ab dem 01. Januar 2025 sieht die anzuwendende Gesetzesfassung (noch) weitergehende Sanktionen vor. Die wesentliche Neuregelung ergibt sich dabei aus § 200a AO. Die Norm sieht ein qualifiziertes Mitwirkungsverlangen und damit einhergehend ein neues Sanktionssystem für die Verletzung von Mitwirkungspflichten durch den Steuerpflichtigen vor. Kommt der Steuerpflichtige seinen aus § 200 AO resultierenden Mitwirkungspflichten nicht nach und führt dies zu Verzögerungen bei der Durchführung der Betriebsprüfung, kann die Finanzbehörde von ihrem (vollstreckbarem) qualifiziertem Mitwirkungsverlangen Gebrauch machen.
Kommt der Steuerpflichtige nicht innerhalb eines Monats dem Mitwirkungsverlangen nach, so wird ein Mitwirkungsverzögerungsgeld in Höhe von 75 Euro für jeden vollen Kalendertag, maximal jedoch für 150 Kalendertage, der Mitwirkungsverzögerung festgesetzt.
Zusätzlich kann die Finanzbehörde einen Zuschlag auf das Mitwirkungsverzögerungsgeld in Höhe von maximal 25.000 Euro für jeden vollen Kalendertag für höchstens 150 Kalendertage festsetzen (also maximal 3.750.000 Euro), wenn ein Wiederholungsfall vorliegt und zu befürchten ist, dass das Mitwirkungsverlangen ohne einen Zuschlag nicht erfüllt werden wird oder wenn die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen dazu führt, dass das Mitwirkungsverzögerungsgeld in Höhe von 75 Euro kein geeignetes Druckmittel zur Erfüllung des qualifizierten Mitwirkungsverlangens darstellt.
Das qualifizierte Mitwirkungsverlangen findet auf Steuern (und Steuervergünstigungen), die nach dem 31. Dezember 2024 entstehen, und zum anderen Steuern (und Steuervergünstigungen), die vor dem 1. Januar 2025 entstehen, wenn für diese nach dem 31. Dezember 2024 eine Prüfungsanordnung bekanntgegeben wurde, Anwendung.
Rolle rückwärts? Entwurf des Vierten Gesetzes zur Bürokratieentlastung
Der Bundestag hat am 26. September 2024 das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz angenommen, so dass das Gesetz nunmehr in das gesetzgeberische Abschlussverfahren gelangt ist und eine zeitnahe Verkündung sowie Unterzeichnung zu erwarten ist.
Mit dem Vierten Bürokratieentlastungsgesetz wird § 90 AO in der Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 2022 angepasst. Zwar beträgt die Vorlagefrist weiterhin 30 Tage, allerdings soll im Fall einer Außenprüfung nicht das Local File ohne vorherige Anforderung vorgelegt werden müssen, sondern lediglich eine Übersicht über die Geschäftsvorfälle (sog. Transaktionsmatrix) sowie – sofern die Voraussetzungen erfüllt sind – das Master File und Aufzeichnungen über außergewöhnliche Geschäftsvorfälle. Zugleich besteht das Recht der Betriebsprüfung zur Anforderung des Local Files verbunden mit einer Frist von 30 Tagen fort.
Damit einhergehend wurde die Transaktionsmatrix vom Local File losgelöst und als gesondert aufzeichnungspflichtig aufgeführt. In der Praxis erfolgt die Abbildung der Transaktionsmatrix innerhalb des Local Files bereits gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 GAufzV, auch wenn die Transaktionsmatrix als solche dort nicht konkret bezeichnet ist.
Innerhalb der Betriebsprüfung vorzulegenden Transaktionsmatrix sind
- der Gegenstand und die Art der Geschäftsvorfälle,
- die an den Geschäftsvorfällen Beteiligten unter Kennzeichnung von Leistungsempfänger und Leistungserbringer,
- das Volumen und das Entgelt der Geschäftsvorfälle,
- die vertragliche Grundlage,
- die angewandte Verrechnungspreismethode,
- die betroffenen Steuerhoheitsgebiete und
- ob Geschäftsvorfälle nicht der Regelbesteuerung im betreffenden Steuerhoheitsgebiet unterliegen
anzugeben.
Somit sind nicht mehr sämtliche Aufzeichnungen vorzulegen, sondern vielmehr nur die Unterlagen, die im ersten Schritt tatsächlich notwendig sind, um der Betriebsprüfung einen Überblick über die wesentlichen Auslandssachverhalte im Unternehmen zu geben, damit diese sodann prüfungswürdige Prüffelder identifizieren kann – so zumindest die Gesetzesbegründung.
In Bezug auf die Sanktionen führt das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz zu keinen Änderungen – mit Ausnahme, dass nunmehr auch Sanktionen drohen, falls keine gesonderte Transaktionsmatrix vorgelegt wird. Das heißt, dass die Sanktionsmechanismen und insbesondere § 200a AO fortbestehen und lediglich an die Neuerungen angepasst wurden.
Unsere Einschätzung
Die Compliance-Anforderungen zur Verrechnungspreisdokumentation werden ab dem kommenden Jahr verschärft werden. Daran ändert auch das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz nichts, zumal die vorzulegende Transaktionsmatrix keine Angemessenheitsdokumentation enthält. Die Betriebsprüfung wird diese, ebenso wie die Sachverhaltsdokumentation, somit regelmäßig auch weiterhin anfordern. Damit einhergehend handelt es sich in Bezug auf die Entlastungen nur um Entlastungen auf den ersten Blick bzw. anders gesagt: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Dies dürfte im Ergebnis auch einer „schnelleren“ Außenprüfung im Wege stehen.
Da die Vorlagefrist für das Local File nach Anforderung durch die Betriebsprüfung 30 Tage beträgt, wird es faktisch bei einer Dokumentationspflicht bleiben – denn die verschärften Sanktionen lassen eine andere Empfehlung nicht zu. Um jegliche Komplikationen im neuen Jahr zu vermeiden, sollten bereits jetzt vorbereitende Maßnahmen für künftige Verrechnungspreisdokumentationen getroffen werden. Aufzeichnungen über die grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen sollten zeitnah nach Ende des Geschäftsjahres erfolgen und „auf Vorrat“ gelegt werden. Für Außergewöhnliche Geschäftsvorfälle ändert sich formal nichts. Diese sind weiterhin aktiv zu monitoren und zeitnah zu dokumentieren. Hier gilt die bekannte am Ende des betreffenden Wirtschaftsjahres beginnende 6-Monatsfrist. Haben Sie weitere Fragen? Wenden Sie sich vertrauensvoll an unser Transfer Pricing Team.