Umsatzsteuer: Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen
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1. Juni 2023

Umsatzsteuer: Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen

Inhaltsverzeichnis

Ein wichtiger Grundsatz in der Umsatzsteuer lautet: eine Leistung, welche aus mehreren Einzelleistungen besteht, die aber wirtschaftlich eng zusammengehören, wird als einheitliche Leistung betrachtet. Dem gegenüber gibt es jedoch gesetzliche Regelungen, die mit dieser einheitlichen Betrachtung in Konflikt stehen und eine Art Aufteilungsgebot anzeigen. Dieses Aufeinandertreffen zwischen Grundsatz und Ausnahme war kürzlich Streitgegenstand vor dem Europäischen Gerichtshof im Fall Finanzamt X gegen Y (Urteil vom 04.05.2023; C-516/21). Streitfrage war die umsatzsteuerrechtliche Behandlung der Verpachtung eines Grundstücks zusammen mit der Überlassung wesentlicher Betriebsvorrichtungen. Was es mit der berüchtigten Einheitlichkeit der Leistung und deren Bedeutung im oben genannten Fall auf sich hat, erfahren Sie hier.

Was versteht man unter der Einheitlichkeit der Leistung?

Die Nebenleistung teilt umsatzsteuerrechtlich das Schicksal der Hauptleistung. Das bedeutet, dass bei der Umsatzsteuer mehrere einzelne Leistungen aus Sicht eines durchschnittlichen Normalverbrauchers oder einer durchschnittlichen Normalverbraucherin als eine einzige Leistung betrachtet werden und somit die gleiche umsatzsteuerrechtliche Würdigung erfahren.
Die Bestimmung des Ortes und Zeitpunktes der einheitlich betrachteten Leistung ebenso wie Steuerbefreiungsvorschriften und Steuersätze richten sich nach der Hauptleistung. Die Hauptleistung ist charakterisierend für die einheitliche Leistung, und die Nebenleistung, welche nebensächlich ist, geht mit dieser einher und hängt mit ihr eng zusammen.
Für den oder die Leistungsempfänger:in gleicht die Nebenleistung einem Mittel zum Zweck. Durch diese kann er bzw. sie die für diesen Umsatz bedeutende Hauptleistung unter möglichst guten Bedingungen in Anspruch nehmen. (vgl. Abschn. 3.10 UStAE)

Hier ein einfaches Beispiel: Ein:e Kund:in geht in einen Supermarkt und kauft eine Packung Milch. Rein theoretisch könnte man diese Leistung aufteilen, da der bzw. die Kund:in zum einen Milch kauft, zum anderen befindet sich diese Milch auch in einer Verpackung, welche mitgekauft wird. Während die Milch als Lebensmittel dem ermäßigten Steuersatz von 7 Prozent unterliegt, gilt für Verpackungen der Regelsteuersatz von 19 Prozent. Aus Sicht des bzw. der Kund:in sind die Milch und die Verpackung sehr eng miteinander verknüpft, wobei die Milch eindeutig den Hauptteil der Leistung ausmacht. Der Verkauf der Milch und der Verpackung wird dementsprechend als einheitlicher Vorgang gesehen und auf die Packung Milch der ermäßigte Steuersatz angewandt. Es handelt sich also um eine einheitliche Leistung, welche nicht in mehrere Teilleistungen aufgeteilt werden darf.

Sachverhalt: Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen

Im Zeitraum von 2010 bis 2014 vermietete Y in Form eines Pachtvertrages ein Stallgebäude, welches zur Zucht von Puten gedacht war. Dabei waren einige Betriebsvorrichtungen im Gebäude dauerhaft eingebaut, um eine optimale Versorgung der Tiere zu gewährleisten. Es handelte sich um Vorrichtungen wie z. B. eine Industrieförderspirale zur Fütterung der Puten oder ein Heizungs-, Lüftungs- und Beleuchtungssystem zur Schaffung der erforderlichen Bedingungen für die Zucht der Tiere. Für die Verpachtung des Zuchtstalls mitsamt eingebauten Vorrichtungen und Maschinen erhielt Y ein einheitliches Entgelt. Er wies darüber hinaus in seinen Rechnungen an den Pächter keinerlei Umsatzsteuer aus, da die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG grundsätzlich von der Umsatzsteuer befreit sind.

Allerdings vertrat das Finanzamt X bezüglich der umsatzsteuerlichen Behandlung der Verpachtung eine andere Position: Gemäß § 4 Nr. 12 S. 2 Umsatzsteuergesetz seien nämlich die Vermietung und Verpachtung von Betriebsvorrichtungen von der Umsatzsteuerbefreiung ausgeschlossen, gleichwohl sie wesentliche Bestandteile des Grundstücks sind. Der Ausnahmeregelung zufolge müsse das vereinbarte Entgelt in einen umsatzsteuerbefreiten (für die Gebrauchsüberlassung des Zuchtstalls) und einen umsatzsteuerpflichtigen Teil (für die Gebrauchsüberlassung der Betriebsvorrichtungen) aufgeteilt werden. Auf 20 Prozent des bisher entrichteten Entgelts seien folglich Umsatzsteuer auszuweisen und nachzuzahlen.

Y klagte gegen jene Ansicht und infolgedessen äußerte sich das Finanzgericht zur umsatzsteuerlichen Klassifizierung der Umsätze aus der Verpachtung. Laut Gericht stellte die Bereitstellung der betroffenen Betriebsvorrichtungen eine Nebenleistung dar, die mit der Verpachtung des Zuchtstalls als Hauptleistung verbunden ist. Dies führe dazu, dass man im Sinne der Einheitlichkeit der Leistung von einer Aufteilung in mehrere Leistungen absehen und eine volle Steuerbefreiung für die Verpachtung gewähren sollte. Dabei bezieht sich das Finanzgericht auf die bisherige Rechtsprechung des EuGHs und des BFHs. Das Finanzamt legte gegen diese Entscheidung Revision ein.

Vorlagefrage des Bundesfinanzhofes zur Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen

Der BFH bat den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um die Auslegung von Artikel 135 der Richtlinie 2006/112/EG (sogenannte Mehrwertsteuersystemrichtlinie, kurz: MwStRL). Einerseits hält Art. 135 Abs. 1 Buchst. l MwStRL die Mitgliedstaaten dazu an, die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken von der Mehrwertsteuer zu befreien. Andererseits schließt Art. 135 Abs. 2 S. 1 Buchst. c MwStRL die Vermietung und Verpachtung von dauerhaft eingebauten Einrichtungen und Maschinen von dieser Steuerbefreiung aus. Diese Vorschriften aus dem Unionsrecht bilden das Äquivalent zur deutschen Regelung.

Das vorlegende Gericht möchte explizit wissen, ob die Steuerpflicht für dauerhaft eingebaute Einrichtungen und Maschinen nach Art. 135 Abs. 2 S. 1 Buchst. c MwStRL nur für die Vermietung oder Verpachtung von Betriebsvorrichtungen gilt, die unabhängig von der Vermietung oder Verpachtung eines Gebäudes erfolgt. Darüber hinaus muss der EuGH zu der Frage Stellung beziehen, ob sich diese Steuerpflicht auch auf die Vermietung und Verpachtung von Betriebsvorrichtungen erstreckt, welche als Nebenleistung im Rahmen einer zwischen denselben Vertragspartner:innen ausgehandelten Gebäudeverpachtung steuerfrei ist.

Man könnte die Frage des BFH auch folgendermaßen umformulieren: Hat der Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung Vorrang gegenüber dem Aufteilungsgebot gemäß Art. 135 Abs. 2 S. 1 Buchstabe c MwStRL?

Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen: Was sagt das EuGH-Urteil?

Dem Europäischen Gerichtshof zufolge findet die Besteuerung nach Art. 135 Abs. 2 S. 1 Buchst. c MwStRL keine Anwendung auf die Vermietung und Verpachtung von Betriebsvorrichtungen, wenn folgende Bedingungen kumulativ erfüllt sind:

  • Die Vermietung der Betriebsvorrichtungen stellt eine Nebenleistung zur Hauptleistung dar,
  • die Hauptleistung besteht in der Verpachtung eines Gebäudes,
  • die Verpachtung erfolgt im Rahmen eines zwischen denselben Parteien geschlossenen Pachtvertrages,
  • nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. l MwStRL ist der Pachtvertrag von der Steuer befreit und
  • die Einzelleistungen bilden eine wirtschaftlich einheitliche Leistung.

Der Gerichtshof bekräftigt sein Urteil durch seine bisherige Rechtsprechung. Nach dieser muss ein Umsatz in seiner Gesamtheit betrachtet werden, um festzustellen, ob er zwei oder mehr unabhängige Leistungen enthält oder ob er insgesamt als wirtschaftlich einheitlich zu bewerten ist. Zudem stellt das Gericht wiederholt klar, dass eine wirtschaftlich einheitliche Leistung nicht künstlich aufgeteilt werden darf, um die Funktionsfähigkeit des Mehrwertsteuersystems zu erhalten. Der EuGH sieht in Art. 135 Abs. 2 MwStRL keine Verpflichtung zur Aufteilung einer wirtschaftlich einheitlichen Leistung.

In Bezug auf die Verpachtung des von Y betriebenen Zuchtstalls, welcher mit Betriebsvorrichtungen zur Putenzucht ausgestattet ist, verweist der EuGH auf den BFH zur endgültigen Beurteilung, ob es sich hier um eine wirtschaftlich einheitliche Leistung handelt. Der BFH soll überprüfen, ob die Bereitstellung der Betriebsvorrichtungen im Streitfall eine Nebenleistung zur Hauptleistung der Gebäudeverpachtung darstellt. Aus Sicht des Europäischen Gerichtshofs scheint dies der Fall zu sein.

Folgen der EuGH Entscheidung

In unserem Streitfall muss der Verpächter nun darauf hoffen, dass der BFH die Verpachtung des Zuchtstalls samt Betriebsvorrichtungen als wirtschaftlich einheitliche Leistung einstuft und damit der Beurteilung des EuGHs folgt. Wird die Einheitlichkeit der Leistung vom BFH endgültig bestätigt, fällt die Steuerpflicht nach Art. 135 Abs. 2 S. 1 Buchst. c MwStRL für die Betriebsvorrichtungen weg. Daraus folgt, dass Y in seinen Rechnungen für die Verpachtung des Zuchtstalls und der Betriebsvorrichtungen vollumfänglich keine Umsatzsteuer ausweisen muss, da die Nebenleistung das umsatzsteuerrechtliche Schicksal der Hauptleistung teilt.

Dieses Urteil eröffnet die Debatte auch für zahlreiche weitere Fälle, die Ähnlichkeiten mit dem beschriebenen Fall aufweisen. Ein häufiges Beispiel ist die Vermietung einer Kantine mit Küchenausstattung oder die Vermietung von Arztpraxisräumen mit eingebauten Betriebsvorrichtungen. Es bleibt abzuwarten, inwiefern die kürzlich getroffene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu einer erneuten Überprüfung der Einheitlichkeit der Leistung in weiteren Fällen führen wird. Vielleicht haben jetzt einige Vermieter:innen oder Verpächter:innen, die bisher Umsatzsteuer auf bestimmte Umsätze ausweisen mussten, durch dieses Urteil einen Anreiz gefunden, ihre Umsatzgeschäfte noch einmal umsatzsteuerrechtlich zu überdenken und gegebenenfalls neu einzuordnen.

Unsere Einschätzung

Das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs hebt die Bedeutung des Prinzips der Einheitlichkeit der Leistung gegenüber möglichen Aufteilungsgeboten erneut hervor. Diesem Urteil zufolge sollte man wirtschaftlich einheitliche Leistungen als solche behandeln und nicht künstlich aufteilen.

Betriebsvorrichtungen erfordern eine besondere Betrachtung, insbesondere bei der Mitvermietung von Gebäuden. Dies betrifft sowohl die Umsatzsteuer als auch die Ertragsteuer. Haben Sie Fragen zur Vermietung von Betriebsvorrichtungen, zur Umsatzsteuer bei der Vermietung von Gebäuden oder speziell zu diesem Urteil des EuGH? Sprechen Sie uns gerne an. Wir beraten Sie.

Marcus Sauer

Partner, Steuerberater, Diplom-Volkswirt

Peter Kollenbroich

Partner, Steuerberater, Fachberater für Immobilienbesteuerung, LL.M.

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