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23. Juni 2025

BFH-Urteil 2025: Umsatzsteuerpflicht für Betreiber:innen von Bordellen

Kategorien: Steuerberatung

Ein aktueller Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) bringt Licht in ein bislang strittiges Thema: Wer gilt im steuerlichen Sinne als Unternehmer bei der Erbringung sexueller Dienstleistungen in einem sogenannten „Laufhaus“? Der BFH hat hierzu klare Kriterien formuliert, die für Betreiber:innen solcher Einrichtungen erhebliche steuerliche Konsequenzen haben können. Das BFH-Urteil vom 30. April 2025 (Az. XI B 33/24) hat über den konkreten Fall eines Bordellbetriebs hinaus eine weitreichende Bedeutung für viele andere Gewerbe – insbesondere solche, bei denen Leistungen durch scheinbar selbstständige Dritte erbracht werden, die Betreiber:innen aber organisatorisch und nach außen als Hauptverantwortliche auftreten. Wir fassen das Urteil allgemeinverständlich für Sie zusammen. 


Wer gilt bei sexuellen Dienstleistungen als umsatzsteuerpflichtige:r Unternehmer:in? 

Der BFH (Beschluss vom 30.04.2025, Az. XI B 33/24) hatte sich mit der Frage zu befassen, ob einer insolventen Betreiberin eines Bordells („Laufhaus“) auch die von Prostituierten erbrachten sexuellen Dienstleistungen umsatzsteuerlich zugerechnet werden können. Streitgegenstand war die Umsatzsteuer der Jahre 2013 bis 2015, die das Finanzamt rückwirkend festsetzte. 

Die Bedeutung von Außenwirkung und Werbung für die Umsatzsteuerpflicht bei Bordellbetreiber:innen 

Der BFH stellte klar: Maßgeblich ist, wer nach außen als Leistungserbringer:in auftritt. Im konkreten Fall wurde auf der Internetseite der Betreiberin damit geworben, dass Kund:innen bei Unzufriedenheit ihr Geld zurückerhalten. Dies impliziere ein Leistungsversprechen im eigenen Namen. Die Prostituierten wurden dort namentlich, mit Arbeitszeiten und Leistungen vorgestellt – so entstehe bei den Kund:innen der Eindruck, die Betreiberin selbst sei verantwortlich für die Dienstleistung. 


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Umsatzsteuerliche Haftung trotz Schein-Selbstständigkeit: Die wirtschaftliche Realität zählt 

Ob die Prostituierten formal selbstständig tätig waren oder nicht, spielte für den BFH keine zentrale Rolle. Entscheidend sei vielmehr die „wirtschaftliche Realität“: Die Betreiberin organisierte den gesamten Ablauf, stellte die Infrastruktur (Zimmer, Sicherheit, Werbung, Reinigung) bereit und vermittelte die Dienstleistungen aus einer Hand. Damit übernahm sie das wirtschaftliche Risiko – ein wesentliches Merkmal unternehmerischer Tätigkeit. Für Betreiber:innen von Bordellen – insbesondere solcher mit stark zentralisierter Struktur – ergibt sich daraus ein erhöhtes Risiko der umsatzsteuerlichen Zurechnung sexueller Dienstleistungen. 

BFH-Urteil klärt: Keine Doppelbesteuerung bei sexuellen Dienstleistungen 

Der BFH verwarf den Einwand, es liege eine unzulässige Doppelbesteuerung vor. Sollte eine Leistung tatsächlich zweifach erfasst werden (z. B. durch Zurechnung an die Betreiberin und gleichzeitige Umsatzbesteuerung bei der Prostituierten), könne ein Vorsteuerabzug erfolgen – wenn entsprechende Rechnungen vorliegen. Da dies hier nicht der Fall war, sei auch kein Vorsteuerabzug zulässig. 

Welche steuerlichen Risiken bestehen für Betreiber:innen von Prostitutionsgewerben? 

Die Entscheidung schafft Klarheit für vergleichbare Fälle: Treten Bordellbetreiber:innen nach außen als „einheitliche Dienstleister“ auf und bieten ein Gesamtkonzept inklusive sexueller Dienstleistungen an, können sie umsatzsteuerlich als leistende Unternehmer:innen angesehen werden. Dies gilt auch dann, wenn die eigentliche Dienstleistung von formal selbstständigen Prostituierten erbracht wird.  

Unsere Einschätzung: Steuerrechtliche Folgen für Sexarbeit und Betreiber:innen  

Das Urteil betont die Bedeutung der Außendarstellung und Gesamtorganisation bei der steuerlichen Einordnung von Leistungen. Die zentralen Kriterien des BFH – nämlich das Auftreten im eigenen Namen und die wirtschaftliche Realität – lassen sich auch auf andere Geschäftsmodelle übertragen. 

So wirkt sich das BFH-Urteil auf andere Dienstleistungsgewerbe aus 

  1. Wellness- und Massagestudios
    In Studios, in denen Masseur:innen oder Therapeut:innen formal als Selbstständige agieren, die Betreiber:innen aber die Werbung übernehmen, Preise mit den Kund:innen kommunizieren und z. B. Qualitätsgarantien abgeben, könnte die Leistung den Betreiber:innen umsatzsteuerlich zugerechnet werden – mit der Folge der Umsatzsteuerpflicht für die Gesamtleistung. 
  1. Beauty- und Kosmetiksalons
    Kosmetikstudios, Nagelstudios oder Friseursalons, die Arbeitsplätze an „freie“ Dienstleister vermieten, aber Kundenakquise, Terminmanagement und Außenauftritt zentral steuern, könnten ebenfalls als Leistungserbringer:innen gelten. Das gilt insbesondere, wenn etwa auf der Website Leistungen beschrieben und Preise genannt werden, ohne klare Trennung zu den ausführenden Personen. 
  1. Fitnessstudios mit Personal Trainer:innen
    Auch wenn Personal Trainer:innen als selbstständig geführt werden, kann dem Fitnessstudio die Leistung zugerechnet werden, wenn die Trainer:innen als Teil des Studios dargestellt werden, über die Studiowebsite gebucht werden oder das Studio für die Leistung Garantien gibt. 
  1. Tattoo- und Piercing-Studios
    Betreibt ein Studio die komplette Außendarstellung, macht Werbung für bestimmte Tätowierer:innen, legt Preise fest oder organisiert Abläufe, obwohl diese formal selbstständig sind, kann auch hier eine Zurechnung der Leistungen erfolgen. 
  1. Event- und Veranstaltungsagenturen
    Agenturen, die Künstler:innen, DJs, Hostessen oder Animateur:innen vermitteln, und dabei auftreten, als würden sie die Leistung selbst garantieren, sich um Buchung, Bezahlung, Mängelregulierung und Ablauf kümmern, laufen Gefahr, als umsatzsteuerliche Leistungserbringer:innen zu gelten. 

Übertragbarkeit des BFH-Urteils: Umsatzsteuerliche Zurechnung bei ähnlichen Geschäftsmodellen 

Das Urteil lässt sich immer dann übertragen, wenn: 

  • Dritte (formal Selbstständige) Leistungen erbringen, 
  • die Betreiber:innen  aber nach außen als Hauptleistungserbringer:innen auftreten, 
  • organisatorisch die Fäden in der Hand halten (z. B. Werbung, Kundenkommunikation, Beschwerdemanagement), 
  • und den Kund:innen ein einheitliches Leistungsbild vermittelt wird. 

In all diesen Fällen besteht das Risiko, dass das Finanzamt den Betreiber:innen die Umsätze zurechnet – inklusive entsprechender steuerlicher Konsequenzen. 

Unsere Empfehlung: Prüfen Sie Ihre Geschäfts- und Werbestrukturen frühzeitig und sorgfältig.

Haben Sie Fragen zur umsatzsteuerrechtlichen Haftung bei der Erbringung sexueller Dienstleistungen in einem Bordell? Unsere Experten Marcus Sauer und Sebastian Vogt stehen Ihnen beratend zur Seite und unterstützen Sie mit einer individuellen steuerrechtlichen Bewertung. Nehmen Sie einfach Kontakt auf.  

Marcus Sauer

Partner und Steuerberater

Sebastian Raphael Vogt

Prokurist, Head of Indirect Tax, Rechtsanwalt (Syndikusanwalt)

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