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28. Mai 2025

Die Konzernklausel in der Praxis: Die aktuelle BFH-Rechtsprechung zur Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG bei Umstrukturierungen

Kategorien: Steuerberatung

Die Konzernklausel des § 6a des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) war in der Vergangenheit immer wieder Gegenstand kontroverser Diskussionen zwischen Finanzverwaltung und Unternehmen. Mit drei aktuellen Urteilen hat der Bundesfinanzhof (BFH) wichtige Klarstellungen getroffen, die für mehr Rechtssicherheit sorgen sollen.  


Was regelt der § 6a GrEStG?

 6a des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) bietet Unternehmen die Möglichkeit, konzerninterne Umstrukturierungen unter bestimmten Bedingungen grunderwerbsteuerfrei vorzunehmen. Begünstigt sind Umwandlungsvorgänge im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UmwG, d. h. grundsätzlich alle Verschmelzungs-, Spaltungsvorgänge und Vermögensübertragungen.  

Weitere Voraussetzung ist, dass an der Umstrukturierung ausschließlich ein herrschendes Unternehmen beteiligt sein darf.  

Beteiligte am Umwandlungsvorgang sind diejenigen, die Vermögen übertragen/verlieren und diejenigen, die Vermögen aufnehmen.   

Herrschendes Unternehmen: Was sind die Voraussetzungen?

Herrschendes Unternehmen können sowohl wirtschaftlich tätige natürliche oder juristische Personen sowie Personengesellschaften sein. Voraussetzung für das herrschende Unternehmen ist, dass dieses mind. 95 % der Anteile an der oder den abhängige(n) Gesellschaft(en) hält. Diese Voraussetzung muss für den gesamten Vor- und Nachbehaltenszeitraum von jeweils fünf Jahren bestehen.  

Während dieses Zeitraums muss zudem das herrschende Unternehmen wirtschaftlich tätig sein. An diese Voraussetzung werden jedoch allgemein keine hohen Anforderungen gestellt. Ausreichend ist auch die Teilnahme am Markt durch die Beteiligung am abhängigen Unternehmen.   


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Wann gilt eine Gesellschaft im grunderwerbsteuerlichen Sinne als abhängig?

Abhängige Gesellschaften können sowohl Kapital- als auch Personengesellschaften sein. Abhängig ist eine Gesellschaft, an deren Kapital oder Gesellschaftsvermögen das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor und nach dem Rechtsvorgang unmittelbar, mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mind. 95 % ununterbrochen beteiligt ist.   

BFH-Urteil vom 25.09.2024 (Az. II R 2/22): Gilt die Steuerbefreiung des § 6a GrEStG auch für die Ausgliederung eines grundbesitzenden Einzelunternehmens auf eine neu gegründete Kapitalgesellschaft?

Im Fokus des Urteils des Bundesfinanzhofs vom 25.09.2024 (Az. II R 2/22) steht die Frage, ob die Ausgliederung eines grundbesitzenden Einzelunternehmens auf eine zu diesem Zweck neu gegründete Kapitalgesellschaft unter die Anwendung der Steuerbefreiung des § 6a GrEStG fällt. 

Im konkreten Fall wurde das Einzelunternehmen inklusive eines betrieblichen Grundstücks im Wege der Ausgliederung auf eine neu gegründete GmbH übertragen. Alleinige Gesellschafterin der GmbH wurde die bisherige Eigentümerin des Grundstücks.  

Warum das Finanzamt einen „Konzernsachverhalt“ ausschloss 

Das zuständige Finanzamt lehnte die Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG ab und setzte Grunderwerbsteuer fest. Dies wurde damit begründet, dass kein Konzernsachverhalt vorläge, da § 6a GrEStG nur auf Vorgänge innerhalb eines bereits bestehenden Konzerns anwendbar sei.  

Eine natürliche Person könne kein herrschendes Unternehmen im Sinne der Norm sein – erst durch den Umwandlungsvorgang werde die Beteiligung an der GmbH begründet.  

Die Gründe, warum Finanzgericht und BFH die Voraussetzungen des § 6a GrEStG als erfüllt ansahen 

Sowohl das Finanzgericht als auch der Bundesfinanzhof widersprachen dieser Auslegung und entschieden, dass die Voraussetzungen des § 6a GrEStG erfüllt sind.  

Die Ausgliederung stellt in Bezug auf die Übertragung des Grundbesitzes einen grunderwerbsteuerbaren Vorgang im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG dar.  

Nach § 6a Satz 1 GrEStG wird die Steuer jedoch nicht erhoben, wenn ein solcher Vorgang auf einer Umwandlung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UmwG beruht – was hier mit der Ausgliederung zur Neugründung gemäß § 123 Abs. 3 Nr. 2 UmwG der Fall war. Der BFH stellte klar, dass keine gesetzliche Einschränkung auf bestimmte Umwandlungsarten besteht, sodass alle dort genannten Umwandlungen von der Steuerbefreiung erfasst werden.  

Warum auch ein Alleingesellschafter als ein herrschendes Unternehmen i. S. d. § 6a GrEStG gelten kann: Die bisherige Rechtsprechung des BFH 

Bereits in früheren Urteilen hatte der BFH entschieden, dass auch ein Alleingesellschafter als herrschendes Unternehmen im Sinne des § 6a GrEStG gelten kann.  

Der BFH bekräftigt unter Rückgriff auf die bisherige Rechtsprechung, dass die Vor- und Nachbehaltensfristen nur insoweit eingehalten werden müssen, wie dies rechtlich möglich ist.  

Bei einer Ausgliederung zur Neugründung ist die Einhaltung der Vorbehaltensfrist in Bezug auf die übernehmende Gesellschaft von vornherein nicht erfüllbar, da die übernehmende Gesellschaft erst durch den Umwandlungsvorgang entsteht.  

Maßgeblich ist in diesen Fällen daher allein die Nachbehaltensfrist: Die Beteiligung an der neu gegründeten Gesellschaft muss für die Dauer von fünf Jahren ununterbrochen bestehen bleiben.  

Nach Auffassung des BFH ist die Konzernklausel des § 6a GrEStG auch auf solche Vorgänge anwendbar, bei denen ein Konzern im Sinne der Regelung erst durch den Umwandlungsvorgang neu begründet wird.   

BFH-Urteil vom 25.09.2024 (Az. II R 46/22):  Muss beim Erwerb einer Vorrats-GmbH kurz vor der Einbringung die Vorbehaltensfrist des § 6a GrEStG eingehalten werden?

Kernfrage des Streitfalls ist, ob beim Erwerb einer sog. Vorrats-GmbH kurz vor der Einbringung die Vorbehaltensfrist des § 6a GrEStG eingehalten werden muss.  

Klägerin war eine GmbH & Co. KG mit inländischem Grundbesitz. Sieben natürliche Personen waren als Kommanditisten beteiligt.  

Im Jahr 2013 erwarben diese jeweils eigene Vorrats-GmbHs, an denen sie als Alleingesellschafter beteiligt waren. Im Folgejahr 2014 brachten die Kommanditisten ihre Beteiligungen an der GmbH & Co. KG im Wege der Sachkapitalerhöhung zu Buchwerten nach §§ 20 ff. UmwStG in ihre GmbHs ein.  

Die entscheidende Frage: In welchen Fällen ist die Vorbehaltensfrist zwingende Voraussetzung für die Steuerbegünstigung? 

Das Finanzamt lehnte die Anwendung der Konzernklausel des § 6a GrEStG ab. Grund: Die neu erworbenen GmbHs hätten die Vorbehaltensfrist nicht erfüllt. Die Klägerin argumentierte unter Anwendung des BGH-Beschlusses vom 09.12.2002 (Az. II ZB 12/02), dass die Situation mit einer Ausgliederung zur Neugründung vergleichbar sei – die Vorrats-GmbHs seien rechtlich nur „leere Hüllen“, die durch die Gesellschafter gefüllt werden. Der Erwerb einer Vorrats-GmbH sei daher wie eine Neugründung zu behandeln.   

Sowohl das Finanzgericht als auch der BFH folgten dieser Argumentation nicht. Entscheidend sei nicht die wirtschaftliche Neugründung der Gesellschaft, sondern deren zivilrechtliche Existenz. Und diese war unstreitig bereits vor der Einbringung gegeben. Die Gesellschaften waren formal wirksam gegründet und somit rechtlich selbständige Träger von Rechten und Pflichten – unabhängig davon, ob sie bereits einen Geschäftsbetrieb aufgenommen hatten. 

Auch der BGH-Beschluss gehe davon aus, dass Vorrats-Gesellschaften bereits vor ihrer Ausstattung formal wirksam entstanden sind und zivilrechtlich selbständig Träger von Rechten und Pflichten sind.  

Darüber hinaus wies der BFH darauf hin, dass ein Verzicht auf die Vorbehaltensfrist nicht durch fehlenden Missbrauch gerechtfertigt werden kann. Sobald die Einhaltung der Frist möglich ist, stellt diese eine zwingende Voraussetzung für die Steuerbegünstigung nach § 6a GrEStG dar.  

Im Ergebnis kommt der BFH zu dem Schluss, dass § 6a GrEStG nicht anwendbar ist, wenn die erforderliche Vorbehaltensfrist nicht eingehalten wird und dies nicht wie bei einer Umwandlung zur Neugründung rechtlich unmöglich ist. Vorrats-GmbHs gelten zivilrechtlich als bereits existent, weshalb eine Berufung auf eine wirtschaftliche Neugründung nicht trägt.  

Urteil vom 25.09.2024 (Az. II R 36/21): Wann liegt bei einer Anteilsübertragung ein steuerbarer Vorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG vor?

Die in Irland ansässige A Unlimited (A) war Alleingesellschafterin der ebenfalls in Irland ansässigen B Limited (B). Diese war wiederum an Gesellschaften mit inländischem Grundbesitz beteiligt.  

Im Jahr 2010 wurde auf den Britischen Jungferninseln die Klägerin gegründet, deren alleinige Gesellschafterin A war. Kurz nach ihrer Gründung übertrug A sämtliche Anteile an B auf die Klägerin.  

Das Finanzamt sowie das Finanzgericht sahen in der Übertragung einen steuerbaren Vorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG (Übertragung vereinigter Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft), da es sich um eine mittelbare Änderung in der Beteiligungsstruktur an grundbesitzenden Gesellschaften handelte.  

Die Anwendung des § 6a GrEStG wurde jedoch verneint: Die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung – insbesondere im Hinblick auf eine begünstigte Umwandlung – seien nicht erfüllt.  

Warum greift die Konzernklausel des § 6a GrEStG nicht, obwohl sich die wirtschaftliche Zuordnung der Grundstücke nicht verändert hat? 

Die Klägerin machte geltend, dass durch die Verlängerung der Beteiligungskette keine Änderung in der Herrschaftsstruktur an den Grundstücken eingetreten sei. Sollte der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG dennoch erfüllt sein, müsse zumindest § 6a GrEStG anwendbar sein.  

Der BFH entschied hierzu, dass die Übertragung die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG erfüllt. Für die Verwirklichung des Tatbestands sei es unerheblich, dass sich unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nichts an der Zuordnung der Grundstücke ändert.   

Die Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG wurde vom BFH verneint. Der streitgegenständliche Vorgang stelle keine „entsprechende Umwandlung“ im Sinne des § 6a Satz 2 GrEStG a. F. dar, da die Vorschrift nur Umwandlungsvorgänge erfasst, die vom Umwandlungsgesetz (UmwG) gedeckt sind.  

Warum auch der inzwischen erweiterte Anwendungsbereich des § 6a GrEStG nicht greift 

Zwar wurde der Anwendungsbereich des § 6a GrEStG durch Gesetzesänderung erweitert, sodass auch bestimmte konzerninterne Vorgänge außerhalb des UmwG steuerfrei gestellt werden können – diese Erweiterung gilt jedoch erstmals ab 2014 für EU-/EWR-Fälle.  

Darüber hinaus stellte der BFH klar, dass weder die Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 GrEStG noch die Nichtanwendbarkeit des § 6a GrEStG gegen unionsrechtliche Grundfreiheiten (Kapitalverkehrs- und Niederlassungsfreiheit) verstoßen. Eine Vorlage an den EuGH sei daher nicht geboten.  

Wann geplante Umstrukturierungen sorgfältig geprüft werden sollten: Unsere Einschätzung

Die bisherige Rechtsprechung zu § 6a GrEStG zeigt deutlich, dass die Anwendung der Vorschrift regelmäßig Auslegungsspielraum bietet und zu Streitigkeiten mit der Finanzverwaltung führen kann. Der BFH hat dabei mittlerweile bereits mehrfach einer zu engen Auslegung durch die Finanzverwaltung widersprochen und somit den praktischen Anwendungsbereich der Regelung im Laufe der Zeit erweitert.  

Insbesondere, wenn inländische Grundstücke zum Betriebsvermögen gehören, sollten geplante Umstrukturierungen sorgfältig geprüft und steuerlich begleitet werden. Die Grunderwerbsteuer kann – je nach Gestaltung – schnell zu einem Umstrukturierungshindernis werden. Dies lässt sich mit einer gezielten Anwendung des § 6a GrEStG in bestimmten Fallkonstellationen vermeiden.  

Wenn Sie entsprechende Maßnahmen planen oder prüfen lassen möchten, stehen wir Ihnen gerne beratend zur Seite. Wenden Sie sich bei Fragen an unsere Expert:innen Julian Heesemann, Peter Beckermann und Aleksandra Curi – wir unterstützen Sie bei der steuerlich optimalen Umsetzung Ihrer Vorhaben.  

Julian Heesemann

Associate Partner und Steuerberater

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