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8. Juli 2025

EU-Recht schlägt nationale Korrekturregel: FG Saarland kippt Fremdvergleich in EU-Fällen

Kategorien: Steuerberatung

Inhaltsverzeichnis

Geschäftsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen unterliegen besonderen steuerlichen Anforderungen. 


Außensteuergesetz: Was versteht man unter dem Fremdvergleichsgrundsatz? 

Das Außensteuergesetz (AStG) verlangt, dass solche Vereinbarungen unter Bedingungen abgeschlossen werden, wie sie auch zwischen unabhängigen Dritten abgeschlossen werden würden – dem sogenannten Fremdvergleichsgrundsatz. Vereinbarungen, die diesen Maßstäben nicht entsprechen, sind daher grundsätzlich zu korrigieren.  

Niederlassungsfreiheit vs. Fremdvergleichsgrundsatz: Wann das FG Saarland abweichende Bedingungen zulässt? 

Diesem Grundsatz hat sich das FG Saarland mit seinem Urteil 1 K 1258/18 vom 25. September 2024 unter Rückgriff auf die Niederlassungsfreiheit entgegengestellt Dieser Blogbeitrag erläutert anhand des FG-Urteils, wann abweichende Bedingungen trotz Verstoßes gegen den Fremdvergleichsgrundsatz im EU-Kontext zulässig sein können.   

Einkünftekorrektur bei unbesicherten Darlehen: Was hatte das FG Saarland zu entscheiden? 

Der Sachverhalt: Eine deutsche Muttergesellschaft (DM) vergab zur Unterstützung der Geschäftstätigkeiten ihrer in Rumänien und Ungarn ansässigen Tochtergesellschaften zinslose und unbesicherte Darlehen, die zunächst tilgungsfrei waren. In den Steuerbilanzen der DM waren die Darlehensvaluten als „Ausleihungen an verbundene Unternehmen“ aktiviert.  

Beide Tochtergesellschaften arbeiteten als Lohnfertiger im Lohnveredelungsverfahren und erbrachten Montageleistungen ausschließlich an die Klägerin. Die mit der Lohnfertigung im Zusammenhang stehenden Kosten wurden zuzüglich eines Aufschlags an die DM in Rechnung gestellt.  


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Warum das Finanzamt die fehlende Verzinsung und mangelnde Besicherung des Darlehens beanstandete 

Im Rahmen der Außenprüfungen (2005 – 2010) beanstandete das Finanzamt die fehlende Verzinsung und die mangelnde Besicherung der Darlehen. Das Finanzamt unterstellte, dass ein fremder Dritter unter gleichen Umständen keine vergleichbaren Konditionen akzeptiert hätte.  

Daher nahm es eine Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 AStG (in der seinerzeit gültigen Fassung) vor, indem es einen Zinssatz in Höhe von 6% fingierte. Die daraus abgeleiteten fiktiven Zinserträge wurden außerbilanziell dem steuerpflichtigen Einkommen der deutschen Muttergesellschaft zugerechnet.    

Darlehenskonditionen gerechtfertigt? Die Argumente der Klägerin 

Die deutsche Muttergesellschaft und Klägerin begründete die Darlehensgewährung und Konditionen mit der Erforderlichkeit, die Funktionsfähigkeit ihrer ausschließlich als Lohnfertiger tätigen Tochtergesellschaften sicherzustellen.  

Weiter trug die Klägerin vor, dass  

  • die Finanzierungsmaßnahmen nachweislich operativ veranlasst seien,  
  • Ausdruck unternehmerischer Freiheit innerhalb der unionsrechtlich garantierten Niederlassungsfreiheit seien und  
  • durch die in Rechnungstellung aller Kosten (Vollkosten) sich ohnehin kein anderes Ergebnis ergäbe.  

Damit einhergehend hatte das Finanzgericht Saarland nicht nur zu klären, ob die Voraussetzungen für eine Korrektur nach § 1 AStG a. F. vorliegen, sondern auch, ob eine solche Korrektur im Lichte der Niederlassungsfreiheit nach EU-Recht überhaupt zulässig ist.   

FG urteilt – mit Signalwirkung für die Praxis 

Das Finanzgericht stellte zunächst fest, dass die Darlehen zivilrechtlich wirksam vereinbart und als Fremdkapital zu qualifizieren seien. Es handelte sich – trotz fehlender Verzinsung – um Darlehen mit Rückzahlungsabsicht. Anhaltspunkte für eine Umqualifizierung in Eigenkapital lagen nicht vor, zumal die Darlehensforderungen bei der Klägerin bilanziell abgebildet wurden.  

Zwar verstießen die Darlehensbedingungen formal gegen den Fremdvergleichsgrundsatz, doch sah das FG für die Jahre 2007 bis 2010 von einer Einkünftekorrektur ab. Unter Bezugnahme auf das EuGH-Urteil „Hornbach-Baumarkt“ (C-382/16) erkannte das Gericht an, dass dem Steuerpflichtigen im Rahmen des § 1 Abs. 1 AStG die Möglichkeit der Exkulpation mittels Nachweises sogenannter „wirtschaftlicher Gründe“ für die Vereinbarung der nicht fremdüblichen Bedingungen gewährt werden muss. 

„Wirtschaftliche Gründe“: Was versteht man darunter? 

Als wirtschaftliche Gründe in diesem Sinne kommen sämtliche Gründe in Betracht, die nicht in Zusammenhang mit steuerlichen Motiven stehen, wie zum Beispiel: die Finanzierung zur Sicherung der Produktionskette, Liquidität oder Wettbewerbsfähigkeit. Liegen diese vor, können auch fremdunübliche Bedingungen im Rahmen der Niederlassungsfreiheit zulässig sein.  

Für die Jahre 2005 und 2006 blieb es bei der Korrektur, da Rumänien der EU erst zum 1. Januar 2007 beitrat und unionsrechtliche Grundfreiheiten rückwirkend nicht gelten.  

Da das Finanzamt Revision eingelegt hat, ist das Verfahren derzeit beim Bundesfinanzhof (BFH) unter dem Aktenzeichen I R 23/24 anhängig. Eine endgültige Entscheidung steht somit noch aus – die Rechtsfrage bleibt bis zur BFH-Entscheidung offen.  

Handlungsbedarf oder Entwarnung? Was das Urteil für Sie bedeutet

Das Urteil des Finanzgerichts des Saarlandes bringt wichtige Klarheit für Unternehmen, die innerhalb ihres Konzerns Darlehen vergeben – insbesondere unter nicht fremdüblichen Bedingungen. Zinslose und unbesicherte Darlehen können steuerlich anerkannt bleiben, sofern sie auf nachvollziehbaren wirtschaftlichen Gründen beruhen.  

Dabei spielt das eigenbetriebliche Interesse des Darlehensgebers eine entscheidende Rolle. Etwa wenn es darum geht, die eigene Produktionsstruktur abzusichern oder die Liquidität im Konzern zu gewährleisten.  

Besonders relevant ist das Urteil vor dem Hintergrund europarechtlicher Vorgaben, denn es stärkt die Niederlassungsfreiheit gegenüber einer zu strengen Anwendung des Fremdvergleichs. Unternehmen erhalten damit die Möglichkeit, wirtschaftliche Argumente in die steuerliche Würdigung einzubringen – zumindest bei Finanzierungen innerhalb der EU.  

So zeigt sich eine deutliche Ungleichbehandlung zwischen EU- und Drittstaatenfällen: Während im europäischen Kontext eine Korrektur unter bestimmten Voraussetzungen entfällt, bleibt sie im Verhältnis zu Nicht-EU-Staaten bestehen.  

Noch keine finale Rechtssicherheit durch FG-Urteil 

Solange das Revisionsverfahren nicht entschieden ist, besteht keine finale Rechtssicherheit.   

Spannend wird daher nicht nur, ob sich der BFH der Auffassung des FG anschließt, sondern auch wie der BFH mit der vom Finanzgericht unterlassenen Gesamtschau von Finanzierung und Lohnfertigung umgeht, insbesondere wie er diesen Konflikt unter Berücksichtigung des Artikel 9 der Doppelbesteuerungsabkommen löst.  

Was Steuerpflichtige jetzt zum Fremdvergleich und FG Saarland Urteil beachten sollten: Unsere Einschätzung

Das Urteil bietet Unternehmen in vergleichbaren Konstellationen einen wertvollen Argumentationsansatz – vor allem dann, wenn wirtschaftliche Beweggründe für die Darlehensgestaltung dokumentiert und überzeugend dargelegt werden können. Ob diese Linie auch höchstrichterlich Bestand haben wird, bleibt mit Spannung abzuwarten.  

Genauso wie die Frage: Wann liegen tatsächlich wirtschaftliche Gründe vor, die bestenfalls sogar noch vom Finanzamt anerkannt werden?  

Bemerkenswert ist auch, dass das Urteil des FG Saarland auf eine Rechtsentwicklung verweist, die erst mit dem Wachstumschancengesetz 2024 in Kraft getreten ist. Denn ob ein Darlehen dem Grunde nach überhaupt anzuerkennen ist, regelt nun § 1 Abs. 3d AStG.  

Diese Vorschrift verlangt – vereinfacht gesagt –, dass der Zinsabzug nur möglich ist, wenn von Anfang an sichergestellt ist, dass der Schuldendienst erbracht werden kann und das Darlehen auch wirtschaftlich erforderlich war. Zwar geht die Finanzverwaltung bislang davon aus, dass der Fremdvergleichsgrundsatz in In- und Outbound-Fällen einheitlich gilt (vgl. Tz. 3.3 der Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise). Ob diese Sichtweise auch vor dem Hintergrund der Entscheidung des FG Saarland Bestand hat, bleibt offen.   

Sie haben Rückfragen zum AStG, zum Fremdvergleichsgrundsatz oder zur Rechtsprechung im Zusammenhang mit der steuerlichen Bewertung von Finanzierungen in der EU? Unser Verrechnungspreisteam mit unseren Experten Georg Wenz und Magnus Petter unterstützt Sie bei Ihren Anliegen. Nehmen Sie einfach Kontakt auf! 

Georg Wenz

Partner, Consultative Economist, Head of Transfer Pricing

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