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16. Juni 2025

Kryptowährungen und Steuerrecht – das Finanzgericht Nürnberg schafft Rechtsklarheit

Kategorien: Steuerberatung

Mit Urteil vom 22.01.2025 (Az. 3 K 760/22) hat das Finanzgericht (FG) Nürnberg eine Entscheidung zur einkommensteuerlichen Behandlung von Veräußerungsgewinnen im Zusammenhang mit Kryptowerten getroffen. Im Zentrum der Entscheidung steht die Frage, ob digitale Einheiten wie Bitcoin, Ether oder Token im Sinne des §23 Abs.1 Satz1 Nr.2 EStG als „andere Wirtschaftsgüter“ zu qualifizieren sind – und damit der Besteuerung unterliegen, wenn sie innerhalb der sog. Spekulationsfrist von einem Jahr veräußert werden. Auch sogenannte „Memecoins“ könnten steuerlich relevant sein.   


Hintergrund: Sind Kryptowährungen und Coins wie Bitcoin überhaupt steuerpflichtig? 

§ 23 Abs.1 Satz1 Nr.2 EStG unterwirft die Veräußerung von Wirtschaftsgütern des Privatvermögens der Einkommensteuer, wenn zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr liegt. Der Begriff des „anderen Wirtschaftsguts“ ist gesetzlich nicht definiert, wurde jedoch durch Rechtsprechung und Verwaltungspraxis weit ausgelegt. 

Kryptowährungen sind nach der bisher herrschenden Meinung – insbesondere nach dem BFH-Urteil vom 14.02.2023 (IX R 3/22) – grundsätzlich als immaterielle Wirtschaftsgüter anzusehen, sofern sie übertragbar, selbstständig bewertbar, verkehrsfähig und marktfähig sind.  

Sind Kryptowährungen steuerlich relevante Wirtschaftsgüter? Die wesentlichen Feststellungen des FG Nürnberg 

Das FG Nürnberg hat im Streitfall den Veräußerungsgewinn eines Steuerpflichtigen aus dem Handel mit diversen Kryptowerten (Bitcoin, Ether, Waves, u.a.) der Besteuerung nach §23 EStG unterworfen und zusätzlich Einnahmen aus sog. „Income“-Vorgängen (Staking, Lending) als sonstige Einkünfte i. S. d. §22 Nr.3 EStG qualifiziert.  


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Wirtschaftsguteigenschaft von Kryptowerten

Kryptowerte, wie Bitcoin und Ether, erfüllen nach Ansicht des Gerichts die Merkmale eines „anderen Wirtschaftsguts“ i.S. des §23 EStG. Sie seien eindeutig individualisierbar, am Markt handelbar, übertragbar und objektiv bewertbar.  

Die Argumentation des Klägers, es handle sich lediglich um „Signaturketten“ oder „virtuelle Luftbuchungen“, wurde zurückgewiesen. Auch immaterielle, nur digital vorhandene Werte können Wirtschaftsgüter sein, sofern sie übertragbar und marktbewertet sind.  

Realisation von Gewinnen durch Tausch

Die Besteuerung knüpft nicht nur an den Verkauf gegen gesetzliches Zahlungsmittel (z.B. Euro), sondern auch an den Tausch gegen andere Kryptowährungen an. Maßgeblich ist der realisierte wirtschaftliche Vorteil.  

Ein Umtausch in Fiat-Währungen ist also nicht Voraussetzung für die Besteuerung – entscheidend ist die Veräußerung oder der Tauschvorgang innerhalb der Spekulationsfrist.  

Erträge aus Airdrops und Staking

Airdrops können unter Umständen steuerfrei sein, sofern kein wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem Verhalten des Steuerpflichtigen besteht (reiner Zufluss ohne Gegenleistung).  

Sogenannte „Income“-Vorgänge – z.B. durch Lending oder Staking – stellen hingegen steuerpflichtige sonstige Leistungen gem. §22 Nr.3 EStG dar, sofern sie durch ein konkretes Verhalten des Steuerpflichtigen (z.B. Halten von Coins oder aktives „Claiming“) veranlasst wurden.  

Kein strukturelles Vollzugsdefizit

Die Einwände des Klägers, wonach die Besteuerung von Kryptowerten wegen mangelnder technischer Nachvollziehbarkeit rechtswidrig sei, wies das Gericht entschieden zurück. Die Finanzverwaltung sei durch Mittel wie Blockchain-Analysen, Auskunftsersuchen und internationalen Informationsaustausch grundsätzlich in der Lage, steuerlich erhebliche Vorgänge zu erfassen. Daher liege kein strukturelles, dem Gesetzgeber zurechenbares Erhebungs- oder Vollzugsdefizit vor, das einer Besteuerung entgegenstünde.  

Die Folgen des Nürnberger Urteils in der Praxis: Was müssen Krypto-Anleger jetzt beachten? 

  1. Erweiterung der Steuerpflicht im Privatvermögen
    Das Urteil bestätigt, dass die Besteuerung von Veräußerungsvorgängen mit Kryptowerten nicht nur ein theoretisches Konstrukt ist. Vielmehr müssen Steuerpflichtige jede Veräußerung – auch durch Tausch – innerhalb der Jahresfrist dokumentieren und deklarieren.  
  1. Erhöhte Mitwirkungspflichten
    Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der steuerlichen Mitwirkungspflichten gem. §90 Abgabenordnung (AO). Steuerpflichtige müssen ihre Transaktionen – inklusive Tauschverhältnissen, Zeitpunkten und Wertansätzen – nachvollziehbar dokumentieren. Die pauschale Berufung auf technische Komplexität genügt nicht.  
  1. Kein Steuerprivileg für virtuelle Vorgänge
    Der Umstand, dass es sich bei Kryptotransaktionen um „virtuelle“ Vorgänge handelt, hebt ihre steuerliche Relevanz nicht auf. Entscheidend ist, ob ein wirtschaftlicher Vorteil erzielt wurde – unabhängig davon, ob dieser bereits „realisierbar“ in Euro umgewandelt wurde.  
  1. Sorgfältige Bewertung von Airdrops und Staking
    Mandant:innen, die von Airdrops oder Erträgen aus Staking profitieren, sollten jeden Zufluss auf seine steuerliche Relevanz prüfen lassen. Die Finanzverwaltung wird hier – gestützt durch Rechtsprechung – zunehmend differenziert vorgehen.  

Mit der steuerlichen Anonymität Ihres Wallets ist es vorbei: Unsere Einschätzung 

Das Urteil des FG Nürnberg führt die Linie des BFH fort und bringt gleichzeitig eine neue Tiefe in die Debatte um die steuerliche Erfassung von Kryptowerten. Für Mandant:innen gilt: 
Jeder Handel mit Kryptowerten insbesondere innerhalb der Jahresfrist ist steuerlich zu überwachen. Eine Dokumentation sämtlicher Transaktionen ist unerlässlich. Kaufdatum, Anschaffungskosten, Tauschverhältnisse, Verkaufszeitpunkt – alles muss nachvollziehbar sein.  

Steuerfreiheit nach §23 EStG erfordert zwingend die Einhaltung der Jahresfrist. Nach Ablauf der zwölfmonatigen Spekulationsfrist sind private Veräußerungsgewinne steuerfrei. Erträge aus Staking, Lending oder Airdrops sind regelmäßig als Einkünfte nach §22 Nr.3 EStG zu werten – vorbehaltlich einer Prüfung im Einzelfall. 
Die häufig behauptete „Rechtsunsicherheit“ oder angebliche technische Undurchdringlichkeit schützt nicht vor Besteuerung.  Sie handeln mit Kryptowährungen oder haben Fragen zu ihrer steuerrechtlichen Relevanz? Unsere Ansprechpartner:innen Justyna Jakubiak und Steuerberater Christian Kappelmann unterstützen Sie bei der rechtssicheren steuerlichen Einordnung Ihrer Transaktionen und vertreten Sie in etwaigen Streitverfahren mit den Finanzbehörden gerne. 

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