Streit unter Gesellschaftern: So lösen Sie Pattsituationen erfolgreich auf
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8. Mai 2023

Streit unter Gesellschaftern: So lösen Sie Pattsituationen erfolgreich auf

Immer wieder kommt es unter Gesellschafter:innen einer Gesellschaft zu Unstimmigkeiten. Unter bestimmten Umständen kann dies zu sogenannten Deadlocks oder einer Pattsituation führen. Was das bedeutet und wie sich Patt oder Deadlock auflösen lässt, lesen Sie hier.

Was ist ein Deadlock?

Ein Deadlock oder eine Pattsituation entsteht, wenn Gesellschafter:innen mit identischen Stimmenanteilen in einer Angelegenheit, bei der sie gemeinschaftlich agieren müssen, keine Übereinkunft erzielen. Das führt dazu, dass sie sich bei der Entscheidungsfindung gegenseitig blockieren. Daraus resultierende Meinungsverschiedenheiten und Auseinandersetzungen können direkte Auswirkungen auf die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft haben und im Extremfall sogar ihre wirtschaftliche Existenz gefährden.

Wie sieht eine Konfliktprävention aus?

Gesellschafter:innen sollten auf klar formulierte Regelungen im Gesellschaftsvertrag setzen. Diese können Deadlocks verhindern oder bei ihrer Bewältigung helfen, indem sie endgültige Uneinigkeiten zwischen den Gesellschaftern behandeln. Gesellschafter:innen sollten im Konfliktfall nicht automatisch eine Einigung erwarten. Nachträglich finden sich oft keine gemeinsamen Regelungen zur Lösung eines Konflikts. Unsere Empfehlung ist klar. Der Gesellschaftsvertrag sollte eindeutige Regelungen enthalten.

Welche Möglichkeiten zur Konfliktlösung gibt es?

Ein gestuftes Eskalationsverfahren ist oft die beste Lösung. Die erste Stufe setzt interne und externe Streitbeilegungsmechanismen ein. Die zweite Stufe gewährt den Beteiligten Letztentscheidungsbefugnisse, die letzte Stufe sieht Ausstiegsklauseln vor. 

Wie funktioniert die interne Streitschlichtung?

Eine Konfliktlösung kann zum Beispiel durch wiederholte Vorlage einer strittigen Angelegenheit auf Gesellschafterebene und anschließende Einschaltung eines fakultativen Gesellschaftsorgans wie Beirat oder Aufsichtsrat angestrebt werden.
Bei wesentlichen Entscheidungen, die Strukturmaßnahmen betreffen oder sonst über das laufende operative Geschäft hinausgehen, kann eine Verlagerung der Entscheidungsfindung auf eine höhere Ebene vorgesehen werden, falls eine solche vorhanden ist. Infrage kommt hier beispielsweise bei einem Joint-Venture die Ebene der jeweiligen Muttergesellschaften. Wird die übergeordnete Instanz in die Konfliktlösung einbezogen, bedeutet das ein Eingeständnis, dass zwischen den beiden Gesellschaftern Meinungsverschiedenheiten bestehen. Unsere Erfahrung lehrt, dass die Bereitschaft zur Konfliktlösung damit steigt.

Wie funktioniert eine externe Streitschlichtung oder Konfliktlösung?

Für den Fall, dass eine interne Streitbeilegung nicht möglich oder nicht zielführend ist, kann eine externe Streitbeilegung durch Einschaltung eines neutralen Dritten vorgesehen werden. Dieser Dritte kann ein Mediator oder ein Schiedsgericht sein. Der Mediator trifft keine Entscheidung in der Sache, sondern vermittelt zwischen den Gesellschafter:innen und zeigt interessengerechte Lösungen auf. Die eigentliche Konfliktlösung erfolgt durch die Gesellschafter:innen selbst.

Was ist das Letztentscheidungsrecht oder Casting Vote?

Bei einem offenen Verfahren wie der Mediation kann einem der Gesellschafter ein Letztentscheidungsrecht eingeräumt werden. Das Letztentscheidungsrecht kann zum einen nach Sachgebieten aufgeteilt und dem für das jeweilige Sachgebiet kompetentesten Gesellschafter zugewiesen werden. Hierbei muss beachtet werden, dass eine genaue Zuordnung zu einem Sachgebiet für die einen oder anderen Gesellschafter:innen nicht immer eindeutig möglich ist, weshalb diese Variante Konfliktpotenzial birgt. Oft möchte jeder Gesellschafter und jede Gesellschafterin das Letztentscheidungsrecht für sich beanspruchen. Das Letztentscheidungsrecht kann auch turnusmäßig, zum Beispiel nach jedem Geschäftsjahr, zwischen den Gesellschafter:innen wechseln. Wir sehen diese Variante wegen des entsprechenden Missbrauchspotentials kritisch. Theoretisch wäre die Verzögerung einer Entscheidung bis zum nächsten Turnus denkbar. Auch ein auf bestimmte, nicht existenzielle Fälle beschränktes Letztentscheidungsrecht ist möglich.

Letzter Weg: Exit-Klauseln

Wenn der Konflikt auch in den vorgenannten Eskalationsstufen nicht gelöst werden kann, gibt es eine Ultima-Ratio – Exit-Klauseln. Das sind Regelungen über das Ausscheiden einer Gesellschafterin oder eines Gesellschafters und die Übernahme seiner Geschäftsanteile, welche im Gesellschaftsvertrag verankert sind. Exit-Klauseln haben ihren Ursprung in der anglo-amerikanischen Vertragspraxis. Sie sind regelmäßiger und wichtiger Inhalt von Gesellschaftsverträgen und finden auch in der deutschen Vertragspraxis immer öfter Verwendung. Dabei gibt es verschiedene Varianten, die je nach Interessenlage der beteiligten Gesellschafter:innen verwendet werden können.

Was ist die Russian-Roulette-Klausel?

Die Grundidee der Russian-Roulette-Klausel besteht darin, dass sich ein Gesellschafter als Initiator auf die Klausel beruft und dem anderen Gesellschafter seine Anteile an der Gesellschaft zu einem von ihm bestimmten Preis zum Kauf anbietet. Nimmt der andere Gesellschafter das Angebot an, übernimmt er die Anteile des anbietenden Gesellschafters zum genannten Preis und wird Alleingesellschafter. Lehnt er das Angebot jedoch ab, verpflichtet er sich automatisch, seine Anteile zu denselben Bedingungen an den anbietenden Gesellschafter zu veräußern. Der anbietende Gesellschafter ist dann ebenfalls automatisch verpflichtet, die Anteile des anderen Gesellschafters zu erwerben. Daher wird der anbietende Gesellschafter schon aus eigenem Interesse einen marktgerechten Preis anbieten. Er läuft sonst Gefahr, bei einem zu niedrigen Preis seine Anteile unter Wert zu verkaufen. Bei einem zu hohen Preis müsste er die Anteile des anderen Gesellschafters zu diesem Preis erwerben.

Wie funktioniert die Texas-Shoot-Out-Klausel?

Auch bei einer Texas-Shoot-Out-Klausel unterbreitet ein Gesellschafter als Initiator dem anderen Gesellschafter ein Angebot. Er bietet jedoch nicht den Verkauf seiner eigenen Anteile, sondern den Erwerb der Anteile des anderen Gesellschafters zu einem bestimmten Preis an. Der andere Gesellschafter kann das Angebot annehmen und damit seine Anteile an den Initiator veräußern. Lehnt er das Angebot jedoch ab, ist er verpflichtet, seinerseits ein Angebot zum Erwerb der Anteile des Initiators zu einem höheren Preis zu unterbreiten. Die Gesellschafter müssen einander dann so lange überbieten, bis einer der Gesellschafter das Angebot des anderen annimmt. Die Anzahl der Angebotserhöhungen oder ein minimaler Erhöhungsbetrag kann im Rahmen der Texas-Shoot-Out-Klausel interessengerecht festgelegt werden.

Was versteht man unter dem Deterrent Approach?

Beim Deterrent Approach ermittelt ein in der Klausel zuvor festgelegter externer Dritter nach Einleitung des Verfahrens durch den initiierenden Gesellschafter zunächst den objektiven Wert der Anteile anhand zuvor festgelegter Bewertungskriterien. Der andere Gesellschafter hat dann ein Wahlrecht: er kann die Anteile des initiierenden Gesellschafters mit einem zuvor im Gesellschaftsvertrag festgelegten Abschlag, zum Beispiel 25 Prozent, erwerben oder seine eigenen Anteile mit einem entsprechenden Aufschlag an diesen veräußern. Der vorgesehene Abschlag oder Aufschlag dient dabei als Abschreckung, die die leichtfertige Einleitung eines Exit-Verfahrens verhindern soll und außerdem die Einigungsbereitschaft in vorgeschalteten Konfliktlösungsmechanismen erhöht.

Unsere Einschätzung

Zur Vermeidung sowie einer schnellen und pragmatischen Überwindung von Pattsituationen in Gesellschaften empfehlen wir die Aufnahme von Deadlock-Regelungen in Gesellschaftsverträge, insbesondere wenn paritätische Beteiligungsverhältnisse vorliegen oder zukünftig möglich sind. Da die Interessenlagen von Gesellschafter:innen nicht immer gleich sind und bleiben, kann die Gefahr von Pattsituationen niemals von vornherein ausgeschlossen werden. Welche Deadlock-Regelungen im Einzelfall am geeignetsten sind, lässt sich jedoch nicht pauschal beantworten, sondern muss für jede Gesellschaft abhängig von den Interessen der beteiligten Gesellschafter:innen individuell ermittelt werden. Bei der Implementierung derartiger Regelungen und bei allen weiteren gesellschaftsrechtlichen Fragen sind wir jederzeit gerne behilflich. Sprechen Sie uns an. Wir beraten Sie gerne.

Paola Koudela

Prokuristin, Rechtsanwältin

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