Aufgepasst bei Nebentätigkeiten! Wettbewerbsverbot für Vorstände nach § 88 Aktiengesetz
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9. Juni 2023

Aufgepasst bei Nebentätigkeiten! Wettbewerbsverbot für Vorstände nach § 88 Aktiengesetz

Inhaltsverzeichnis

Der Gesetzgeber regelt in § 88 Aktiengesetz das Wettbewerbsverbot für Vorstandsmitglieder. Lesen Sie hier, wie lange dieses Wettbewerbsverbot gilt, welche Tätigkeiten verboten sind, welche Ausnahmen es gibt und welche Konsequenzen bei Zuwiderhandlung drohen.

Wettbewerbsverbot für Vorstände: Wie ist der Stand?

88 AktG legt den Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für die Dauer ihrer Amtszeit ein Wettbewerbsverbot auf. Vorstände stellen als Leitung ihre ganze Arbeitskraft der Gesellschaft zur Verfügung. Die Vorschrift soll sicherstellen, dass das Vorstandsmitglied kein Geschäftsführer oder persönlich haftender Gesellschafter einer anderen Handelsgesellschaft ist. Mit anderen Worten: § 88 AktG ist gesetzlicher Ausdruck der Treuepflicht von Organen. Es steht in einer Reihe mit anderen Wettbewerbsverboten, etwa denen von Gesellschaftern einer Personenhandelsgesellschaft (§§ 112, 113, 116 HGB) und Handlungsgehilfen (§§ 60, 61 HGB).

Wie lange gilt das Wettbewerbsverbot für Vorstände?

Das Wettbewerbsverbot des Vorstandsmitgliedes gilt nur während der Amtszeit als Geschäftsleiter. Es beginnt mit der Bestellung zum Vorstandsmitglied, nicht schon mit dem Abschluss des Anstellungsvertrages. Maßgeblich für das Ende des Wettbewerbsverbots ist die Beendigung des Dienstvertrages des Vorstandsmitgliedes. Die Amtsniederlegung allein beseitigt die Beschränkungen nicht. Eine isolierte Amtsniederlegung ohne Beendigung des Dienstvertrages ist für das Wettbewerbsverbot ohne Bedeutung. Wird um die Umstände der Vertragsbeendigung gestritten, können beide Parteien im Rahmen eines Zwischenvergleichs eine Aufhebung des Wettbewerbsverbotes für die Zukunft vereinbaren.

Welche Nebentätigkeiten unterliegen dem Wettbewerbsverbot?

Folgende Nebentätigkeiten unterliegen dem Wettbewerbsverbot:

  • Betrieb eines Handelsgewerbes – § 88 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AktG

Das heißt: jede auf Gewinn und dauernde Wiederholung gerichtete selbständige Tätigkeit. Diese muss nicht direkt in Konkurrenz zur Gesellschaft stehen oder sich auf die Gesellschaft auswirken. Auch die Ausübung über einen Strohmann oder Treuhänder ist nicht erlaubt.

  • Übernahme einer Position als Vorstandsmitglied – § 88 Abs. 1 Satz 2 AktG

Auch hier gilt: Die andere Handelsgesellschaft muss nicht um Wettbewerb zur Gesellschaft stehen.

  • Eigenständige Geschäfte im Geschäftszweig der Gesellschaft – § 88 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2

Egal, ob diese auf eigene und fremde Rechnung erfolgen. Der Begriff Geschäftszweig ist verschieden auslegbar. Dabei kann man sich am in der Satzung angegebenen Gesellschaftszweck orientieren. Erst so lässt sich der Umfang des Wettbewerbsverbots bestimmen.

Können Vorstandsmitglieder vom Wettbewerbsverbot befreit werden?

Der Aufsichtsrat kann durch eine Einwilligung nach §§ 182, 183 BGB eine dem Wettbewerbsverbot unterliegende Betätigung erlauben. Auch beim Schluss des Dienstvertrages kann das Vorstandsmitglied eine modifizierte Regelung zur Befreiung vom Wettbewerbsverbots aufnehmen lassen. Erforderlich ist aber in jedem Fall eine konkrete Benennung der freigegebenen Betätigung. Blankoeinwilligungen sind stets unzulässig, wie § 88 Abs. 1 Satz 3 AktG ausdrücklich festlegt.

Welche Konsequenzen drohen bei einem Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot?

Die Gesellschaft kann vom Vorstandsmitglied eine Unterlassung der verbotenen Tätigkeit fordern und nach § 80 Abs. 2 Satz 1 AktG Ersatz des dadurch entstandenen Schadens einschließlich des entgangenen Gewinns verlangen.  Dafür muss die verbotene Tätigkeit im „Geschäftemachen“ liegen. Das Vermögen der Gesellschaft kann nur dort nachteilig beeinträchtigt werden. Das Vorstandsmitglied muss nach § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG beweisen, dass keine Verletzung des Tätigkeitsverbots vorliegt. Für den Nachweis des Schadens und seine Höhe ist die Gesellschaft in vollem Umfang beweispflichtig.

Anstelle von Schadensersatz kann die Gesellschaft nach Abs. 2 Satz 2 das sogenannte Eintrittsrecht ausüben. Das heißt: Das Vorstandsmitglied stellt die Rechnung der verbotenen Tätigkeit für die Gesellschaft. Diese zieht somit den Gewinn der verbotenen Tätigkeit an sich und muss, anders als bei der Geltendmachung von Schadensersatz, keinen Schadensnachweis führen.

Bei der Wahl zwischen Schadensersatz und Eintrittsrecht ist Vorsicht geboten: Ist das Eintrittsrecht einmal geltend gemacht, so ist die Gesellschaft an die Erklärung gebunden. Sollte kein wichtiger Grund vorliegen, kann die Gesellschaft keinen Schadensersatz mehr verlangen.

Die Verletzung des Wettbewerbsverbots berechtigt den Aufsichtsrat zu einer Enthebung des Vorstands von seinem Amt, einer fristlosen Kündigung und zu weiteren Maßnahmen, beispielsweise das Geltendmachen einer Vertragsstrafe (etwa wenn ein solcher Dienstvertrag vereinbart ist).

Verjährt das Wettbewerbsverbot für Vorstände?

Für die Ansprüche der Gesellschaft aus dem Wettbewerbsverbot enthält § 88 Abs. 3 AktG von den allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Regeln (§§ 195, 199 BGB) abweichende Verjährungsregelungen: 

  1. Eine äußerst kurze Verjährungsfrist von drei Monaten für die Ansprüche der Gesellschaft – § 88 Abs. 3 Satz 1 AktG

Diese liegt ab dem Zeitpunkt vor, an dem alle Vorstandsmitglieder und Stellvertreter und alle Mitglieder des Aufsichtsrates Kenntnis haben oder haben müssten. 

  1. Eine Verjährungsfrist von fünf Jahren – § 88 Abs. 3 Satz 2 AktG

Unabhängig von Kenntnis bzw. grob fahrlässiger Unkenntnis verjähren die Ansprüche gemäß § 88 Abs. 3 Satz 2 AktG fünf Jahren nach ihrer Entstehung. 

Hier muss man unterscheiden: Beim Geschäfte machen im Geschäftszweig der Gesellschaft beginnt die Verjährungsfrist mit dem Abschluss des jeweiligen Geschäfts. 

Bei

  • Betrieb eines Handelsgewerbes,
  • Beteiligung an einer anderen Handelsgesellschaft als Vorstandsmitglied,
  • Beteiligung an einer anderen Handelsgesellschaft als Geschäftsführer oder
  • Beteiligung an einer anderen Handelsgesellschaft als persönlich haftender Gesellschafter, mit jedem neuerlich abgeschlossenen Geschäft,

beginnt die Verjährungsfrist erst mit dem Ende des Betriebes eines Gewerbes.

Gilt das Wettbewerbsverbot auch bei einer GmbH-Insolvenz?

Das Wettbewerbsverbot bleibt auch bei der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Gesellschaft bestehen. 

Für GmbH-Geschäftsführer lässt sich § 88 AktG nicht einfach anwenden. Literatur und Rechtsprechung ziehen das zwar in Betracht, es handelt sich aber nur um Einzelfälle. In der Regel erhält die Satzung oder der Geschäftsführerdienstvertrag Klauseln über ein Wettbewerbsverbot. GmbH-Geschäftsführern sollten das im Hinterkopf behalten.

Es besteht Uneinigkeit über das Ende eines Wettbewerbsverbots für GmbH-Geschäftsführer im Fall der Insolvenz. Das Oberlandesgericht (OLG) Rostock urteilt: Das Wettbewerbsverbot entfällt erst, wenn der Geschäftsführer seine Organstellung verliert oder aufgibt und nicht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Auch bei einer eröffneten Insolvenz besteht das Wettbewerbsverbot weiter und der Geschäftsführer ist den Interessen der Gesellschaft verpflichtet.

Unsere Einschätzung

Die Bestimmung des Umfangs des Wettbewerbsverbots gemäß § 88 AktG kann eine komplexe Aufgabe sein. Sie erfordert eine genaue Prüfung von Vertragsdokumente, eine sorgfältige Analyse der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft und Kenntnis über die aktuelle Rechtsprechung. Unternehmen sollten sicherstellen, dass ihre Verträge und Vereinbarungen klare und präzise Formulierungen enthalten. Das verhindert mögliche Streitigkeit und ermöglicht die eventuelle Forderung nach Schadensersatz. Wenn Sie Hilfe bei der Regelung des Wettbewerbsverbotes benötigen, sprechen Sie uns gerne an!

 

Jens Bühner

Partner, Rechtsanwalt, LL.M., Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Expert:innen zu diesem Thema

Marcus Büscher

Partner, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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