
15. Mai 2025
Steuerliche Behandlung von Währungskursverlusten bei Gesellschafterdarlehen und darlehensähnlichen Forderungen im Drittstaatenfall
Inhaltsverzeichnis
Der I. Senat des Bundesfinanzhofes (BFH) hat sich in seiner Entscheidung vom 24. April 2024 (I R 41/20) mit der Abzugsfähigkeit von Währungsverlusten bei Gesellschafterdarlehen und darlehensähnlichen Gesellschafterforderungen (im vorliegenden Falle: Forderungen aus Lieferungen und Leistungen an eine ausländische Kapitalgesellschaft) befasst. Fraglich war, ob realisierte Fremdwährungsverluste vor Einführung des Gesetzes zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts vom 25.06.2021 – KöMoG – im Drittstaatenfall abzugsfähig waren oder unter die Einschränkung des § 8b Abs. 3 Sätze 4-7 fallen.
Streitfall und aktuelle Rechtslage zu Gesellschafterdarlehen und Niederlassungsfreiheit
In den Streitjahren (2013-2016) fakturierte eine in der Bundesrepublik Deutschland ansässige AG Forderungen aus Lieferungen und Leistungen gegenüber des 100%-igen Tochterunternehmens, der brasilianischen X-Ltda (eine Kapitalgesellschaft), in brasilianischer Landeswährung. Vereinbart war ein Zahlungsziel von 90 Tagen, ohne dass die AG Währungskurssicherungsgeschäfte abgeschlossen hatte.
Die X-Ltda beglich die Forderungen regelmäßig erst nach sieben bis neun Monaten. Ein vergleichbarer Vertriebspartner in Argentinien beglich die Forderungen regelmäßig innerhalb von 88 Tagen.
Durch die verspätete Zahlung der X-Ltda summierten sich realisierte Währungsverluste (saldiert mit Währungsgewinnen), welche das Finanzamt und das Finanzgericht Baden-Württemberg mit Berufung auf § 8b Abs. 3 Satz 4 bis 7 des Körperschaftsteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (KStG) versagten.
Durch die Neuregelung des § 8b Abs. 3 Satz 6 KStG im Rahmen des Gesetzes zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG) wurde durch den Gesetzgeber klargestellt, dass Währungskursverluste nicht unter die Einschränkung des § 8b Abs. 3 Satz 4 und Satz 5 KStG fallen. Die Neuregelung zieht einen Schlussstrich unter die langjährige Diskussion der Abziehbarkeit von Währungskursverlusten, regelt aber nur die Fälle für Gewinnminderungen nach dem 31.12.2021.
Weiterhin offen war allerdings die Diskussion der Altfälle, insbesondere bei Gesellschafterdarlehen, welche mit diesem Urteil beantwortet wird. Der BFH versagt eine Abziehbarkeit der Währungsverlusten für Altfälle.
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Symmetrie der Besteuerung bei Unternehmen und die Rolle der Personengesellschaft
Zu Beginn seiner Entscheidungsgründe erläutert der BFH die Systematik des § 8b Abs. 2 KStG, nach der Veräußerungsgewinne aus Anteilen, die für den/die Empfänger:in als begünstigte Dividendeneinkünfte gelten, bei der Unternehmensbesteuerung unberücksichtigt bleiben. Hierbei gibt es keine Unterscheidung zwischen inländischen und ausländischen Beteiligungen.
Korrespondierend soll über § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG die Aufwandsseite zu keiner steuerrelevanten Minderung der Einkünfte führen, zum Beispiel durch Verluste aus der Veräußerung oder Teilwertabschreibungen bei Gesellschafterdarlehen.
Im Verlauf der Gesetzgebung wurde Absatz 3 durch das Jahressteuergesetz 2008 auf bestimmte Fremdfinanzierungen erweitert worden, insbesondere wenn diese durch das Gesellschafterverhältnis begründet war. Der Gesetzgeber wollte verhindern, dass Unternehmen Gesellschafterdarlehen statt Eigenkapital einsetzen, um bei einem Ausfall steuerliche Vorteile geltend zu machen.
Fremdvergleich und Abgrenzung zum Gesellschafterdarlehen im Darlehensvertrag
Die Einschränkungen des § 8b Abs. 3 Satz 3 und 4 KStG konnten selbstverständlich jederzeit durch einen Fremdvergleich ausgehebelt werden, wenn ein ordnungsgemäßer Darlehensvertrag mit einer fremden Kapitalgesellschaft abgeschlossen wurde. Gewähren Gesellschafter:innen ihrer Gesellschaft ein Darlehen zu „üblichen“ Konditionen (Zinssatz, Besicherung, Laufzeit …), so wird der Darlehnsausfall genauso behandelt, als wäre ein Darlehen an eine dritte Person gewährt worden.
Voraussetzung für den Abzug von Fremdwährungsverlusten bei Gesellschafterdarlehen ist somit das Bestehen des Fremdvergleiches. In diesem Zusammenhang sei gesagt, dass die Prüfung der Fremdüblichkeit immer nur durchzuführen ist, wenn der darlehensgebende Gesellschafter zu mehr als 25 % beteiligt ist.
Im Streitfall war die AG zu 100% an der Tochtergesellschaft beteiligt und vereinbarte „übliche“ Zahlungskonditionen (90 Tage), betrieb aber keine „ordentliche“ Forderungsbeitreibung, sondern ließ die Forderungen bis zu neun Monate stehen und verwendete Teile der Forderungen gar als Kapitalerhöhungen. Auch die Abrechnung in fremder Währung wäre ein Indiz der Gesellschafter Veranlassung, denn die AG nimmt damit das Risiko von Währungsverlusten in Kauf.
Ein ordentlicher Kaufmann hätte in diesem Falle vermutlich in eigener Währung fakturiert und Maßnahmen zur Forderungsbeitreibung ergriffen. Zudem entschied der BGH 2019, dass Forderungen aus Lieferungen und Leistungen zivilrechtlich wie ein Darlehen zu behandeln sind, wenn Sie mehr als 90 Tage nach Fälligkeit faktisch stehengelassen werden. Das Zivilrecht ist häufig unmaßgeblich für das Steuerrecht, aber die Qualifizierung eines Darlehens als nicht fremdübliches Gesellschafterdarlehen ergibt sich aus den individuellen Umständen des Einzelfalles. Hierfür kann auch das Zivilrecht herangezogen werden. Zudem entspricht die Umqualifizierung der Forderungen in Kapitalerhöhungen weitgehend dem Zweck des Gesetzes, nämlich Vermeidung der Nutzung von Darlehen als Ersatz für Kapitalerhöhungen, um potenzielle Ausfälle steuerlich geltend machen zu können.
Dies würde selbstverständlich auch die Realisierung von Währungskursverlusten umfassen. Der I. Senat hält fest, dass die Vergabe von Forderungen in fremder Währung auch unter fremden Dritten eine übliche Variante der Finanzierung darstellen kann. Zusätzlich zum Bonitätsrisiko würden damit auch Substanzverluste übernommen und diese wären steuerlich abzugsfähig. Fraglich ist, ob die Fakturierung in fremder Währung im vorliegenden Falle durch das Gesellschafterverhältnis veranlasst ist. Falls ja, wären die Substanzverluste ebenfalls von der Einschränkung des Abzugsverbotes nach § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG umfasst.
Keine verfassungsrechtlichen Bedenken bei Anwendung des KöMoG
Mit Verweis auf das Senatsurteil vom 12.03.2014 – I R 87/12, welches die grundsätzliche Auslegung und Verfassungsmäßigkeit des Abzugsverbotes nach § 8b Abs. 3 Satz 3 und 4 KStG überprüft und bestätigt hat, äußert der I. Senat in seinem Urteil ebenfalls keine Bedenken die Fremdwährungsverluste einzubeziehen.
In diesem Kontext können realisierte Währungskursgewinne mitunter steuerpflichtig bleiben, während die Verluste dem Abzugsverbot unterliegen. Dies kann im Falle der Teilwertabschreibung jedoch durch § 8b Abs. 3 Satz 8 KStG bei Wertaufholung im Darlehensfall wieder steuerfrei gestellt werden. Zudem obliegt es den Steuerpflichtigen, immer den Nachweis eines Fremdvergleiches zu erbringen. Diesen Nachweis konnte die Klägerin im vorliegenden Falle nicht führen.
Unionsrechtliche Bedenken und Niederlassungsfreiheit im Drittstaatenfall
Ferner sieht der I. Senat keine Notwendigkeit zur Vorlage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH), da die Niederlassungsfreiheit im Drittstaatenfall keine Anwendung findet. Die X-Ltda ist in einem Drittstaat ansässig. Entsprechend kann der Sachverhalt nur nach Maßgabe der Kapitalverkehrsfreiheit Art. 63 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Fassung des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (AUEV) überprüft werden.
Hierfür ist jedoch zuvor zu prüfen, welche Grundfreiheit tangiert wird. Nationale Bestimmungen über Beteiligungen mit Absicht der reinen Geldanlage fallen in den Geltungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit.
Sofern über die Beteiligung Einfluss auf die Entscheidungen und Tätigkeiten der Gesellschaft genommen werden sollen, ist der Sachverhalt gemäß Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV zu beurteilen und die Kapitalverkehrsfreiheit wird verdrängt. Der Einfluss auf die Gesellschaft wird anhand der Beteiligungsquote abgeleitet. Immerhin ist dies auch der Kern des Problems: Der Gesellschafter hat durch seine Entscheidung in fremder Währung fakturiert und keine fremdübliche Beitreibung verfolgt. Da die Niederlassungsfreiheit für Drittstaatenfälle nicht zur Anwendung kommt (lediglich die Kapitalverkehrsfreiheit), ist zumindest der vorliegende Fall unionsrechtlich unbedenklich. Eine Veröffentlichung der Entscheidung im BStBl ist daher zu erwarten.
Unsere Einschätzung: Klare Rechtslage für Altfälle bei Gesellschafterdarlehen und Fremdwährungsverlusten
Die Entscheidung des BFH klärt zumindest für Altfälle im Inlands- und Drittstaatenbereich die bisher offene Frage der Behandlung von Währungskursverlusten bei nicht fremdüblichen Darlehen. Seit Einführung des KöMoG hat der Gesetzgeber diese Verluste ausdrücklich zum steuerlichen Abzug zugelassen. Bemerkenswert ist, dass der BFH diese nachträgliche Regelung in seiner Entscheidung nicht berücksichtigt hat – ein Umstand, der wenig überrascht, da der BFH sich strikt an den Wortlaut des geltenden Gesetzes hält, welcher in der damaligen Fassung keine Einschränkung diesbezüglich enthielt. Vielmehr unterstreicht die spätere gesetzliche Klarstellung, dass der Gesetzgeber ab diesem Zeitpunkt die Abzugsfähigkeit der Verluste eindeutig beabsichtigt hat.
Für Altfälle besteht folglich kein weiterer Beratungsbedarf. Die Sachverhalte sind verwirklicht und für noch nicht verjährte Steuerjahre ist mit dem Urteil Rechtssicherheit geschaffen worden, wenngleich auch sicher nicht im positiven Sinne. Grundsätzlich zeigt sich erneut, dass Gesellschafter:innen jederzeit die strengen Anforderungen des Fremdvergleichs einhalten sollten, da Einschränkungen erst bei einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung eintreten. Diese hätten durch den Nachweis eines Fremdvergleichs umgangen werden können.
Offen bleibt lediglich die Frage eines möglichen Verstoßes gegen die Niederlassungsfreiheit, die im vorliegenden Fall nicht geprüft wurde.
Haben Sie Fragen zu Gesellschafterdarlehen, Niederlassungsfreiheit oder Währungskursverlusten oder möchten Sie sich beraten lassen? Unser Experte Dennis Bork steht Ihnen bei Fragen und sonstigen Anliegen zur Seite.
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