FG Köln zum Steuerausweis: Keine Steuerschuld ohne Steuergefährdung
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20. Februar 2024

FG Köln zum Steuerausweis: Keine Steuerschuld ohne Steuergefährdung

Kategorien: Steuerberatung

Inhaltsverzeichnis

Was bedeutet unrichtiger Steuerausweis?

Ein häufiger Fehler bei der Rechnungsstellung ist ein falscher Umsatzsteuerausweis gemäß § 14c Umsatzsteuergesetz (UStG). Wenn ein:e Unternehmer:in oder ein:e von ihm/ihr beauftragte:r Dritte:r die Umsatzsteuer in einer Rechnung falsch ausweist, kann das Konsequenzen nach sich ziehen. Welche das sind und was Sie beachten müssen, das erfahren Sie hier.

Konsequenzen aus einem zu hohen Steuerausweis

Weist ein:e Rechnungsaussteller:in eine unrichtige oder unberechtigte Umsatzsteuer aus, muss der Steuerbetrag grundsätzlich nach § 14c UStG abgeführt werden. So soll verhindert werden, dass der Fiskus geschädigt wird, wenn der/die Leistungsempfänger:in den Mehrbetrag als Vorsteuer geltend macht. Dabei reicht es aus, dass die Abrechnung lediglich abstrakt die Gefahr eines Vorsteuerabzugs begründet.

FG-Köln: Steuerschuld nach § 14c UStG entsteht nicht, wenn Steuergefährdung auszuschließen ist

Nach einem aktuellen Urteil des Finanzgerichts Köln (Urt. v. 25.07.2023, Az. 8 K 2452/21) entsteht die Steuerschuld nach § 14c UStG nicht, wenn trotz der auf der Grundlage eines falschen Steuersatzes berechneten Mehrwertsteuer eine Steuergefährdung auszuschließen ist. Im konkreten Streitfall vor dem FG Köln hatte die Klägerin aufgrund einer verbindlichen Auskunft des Finanzamts ihren Kund:innen, die größtenteils nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Endverbraucher:innen waren, Leistungen mit gesondertem Umsatzsteuerausweis in Rechnung gestellt.

Später erkannte das Finanzamt jedoch, dass es sich bei den von der Klägerin erbrachten Dienstleistungen um sogenannte Postzustellungsaufträge (PZA-Leistungen) handelte, die als Post-Universaldienstleistungen im Sinne von § 4 Nr. 11b UStG von der Umsatzsteuer befreit sind. Da für diese Leistungen bislang Rechnungen mit Umsatzsteuer erstellt wurden, setzte das Finanzamt für diesen unrichtigen Steuerausweis insoweit Umsatzsteuer gemäß § 14c Abs. 1 UStG fest.

Die Klägerin reichte dann Klage gegen den betreffenden Umsatzsteuerbescheid ein und trug vor, dass ihr ein Erstattungsanspruch zustehe und das Unionsrecht unmittelbare Anwendung findet. Bei den Kund:innen der Klägerin, die PZA-Leistungen bezogen haben, handelte es sich unstreitig um nicht vorsteuerabzugsberechtigte Personen (unter anderem Gerichte und Verwaltungsbehörden), weshalb in den meisten Fällen auch von keiner Steuergefährdung auszugehen sei. Auch sei das Unionsrecht zugunsten der Klägerin anzuwenden, auf welches sie sich berufen hat. Zudem habe die Klägerin gutgläubig gehandelt. Das FG Köln gab der Klage vollumfänglich statt. Es erkannte die Leistungen der Klägerin als umsatzsteuerfrei an und lehnte mangels Steuergefährdung eine Steuerschuld nach § 14c UStG ab.

Mehrwertsteuer: Berufung auf EU-Recht beim Steuerausweis

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte in einem ähnlichen Fall (EuGH-Urteil vom 08.12.2022, P GmbH, C-378/21) entschieden, dass Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass ein:e Steuerpflichtige:r, der eine Dienstleistung erbracht hat und einen unrichtigen Mehrwertsteuerbetrag ausgewiesen hat, den zu Unrecht in Rechnung gestellten Teil der Mehrwertsteuer nicht schuldet, wenn keine Gefährdung des Steueraufkommens zu erwarten ist. Nach Ansicht des EuGH bedarf es daher auch keiner Berichtigung der Rechnungen.

Mit Blick auf das vom EuGH entwickelte Effizienzgebot (effet utile), welches in Art. 4 Abs. 3 EUV verankert ist, wird eine Norm so ausgelegt und angewendet, dass die Vertragsziele der Union am besten und einfachsten erreicht werden können. Insbesondere Art. 288 Abs. 3 AEUV verpflichtet die Mitgliedstaaten zu einer richtlinienkonformen Auslegung, damit Sinn und Zweck der jeweiligen Richtlinie bei der Umsetzung in nationales Recht nicht außer Acht gelassen werden.

  • 14c UStG ist insoweit strenger als das Unionsrecht und läuft diesem zuwider. Die Vorschrift muss insofern unionsrechtskonform ausgelegt werden, wenn feststeht, dass es zu keiner Steuergefährdung kommt.

FG Köln bejaht Erstattungsanspruch bei gutgläubiger Rechnungsausstellung

Da § 14c Abs. 1 UStG keine Anwendung findet, muss die Klägerin auch keine Korrekturhandlungen noch Rückzahlungen gegenüber ihren Rechnungsempfänger:innen vornehmen. In den wenigen Fällen, in denen die Klägerin Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis an Personen ausgestellt hat, die zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, spricht das FG der Klägerin ebenfalls einen Steuererstattungsanspruch zu.

Die Klägerin hat ihren Kund:innen in gutem Glauben an die Bindungswirkung der ihr vom Beklagten erteilten verbindlichen Auskunft, Rechnungen mit unrichtigem Ausweis der Umsatzsteuer für ihre PZA-Leistungen erteilt. Auch wenn in diesem Fall eine richtlinienkonforme Auslegung des § 14c UStG nicht in Betracht kommt, so kann sich die Klägerin auf den Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer berufen. Dieser schließt eine nationale Regelung wie § 14c Abs. 1 UStG aus, die die Berichtigung der Steuerschuld eines/einer nachweislich gutgläubigen Rechnungsaussteller:in von der Korrektur seiner/ihrer unrichtigen Rechnungen abhängig macht.

Unsere Einschätzung

Das Urteil des FG Köln ist die erste Entscheidung eines deutschen Finanzgerichts, das die Entscheidung des EuGH auf das deutsche Recht anwendet. Es veranschaulicht die Relevanz der richtlinienkonformen Auslegung im Rahmen der Mehrwertsteuer, die unter dem ständigen Einfluss des Unionsrechts steht. Es bleibt abzuwarten, ob der BFH im anhängigen Revisionsverfahren (Az. V R 16/23) der Auffassung des FG folgt. Gleichwohl sollten betroffene Steuerpflichtige – bei ähnlich gelagerten Sachverhalten – ihre Fälle offen halten.

Marcus Sauer

Partner, Steuerberater, Diplom-Volkswirt

Sebastian Raphael Vogt

Prokurist, Head of Indirect Tax, Rechtsanwalt (Syndikusanwalt)

Tino Wunderlich

Associate Partner, Rechtsanwalt, Steuerberater, Bereich Energiesteuern

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