11. November 2024
Mieterstrom: Vorsteuerabzug und Umsatzsteuer bei Stromlieferungen für Vermieter:innen
Inhaltsverzeichnis
- Mieterstrom und Umsatzsteuer: Stromlieferung über Photovoltaikanlagen für Mieter:innen
- BFH-Urteil: Stromlieferung als eigenständige umsatzsteuerpflichtige Hauptleistung
- Mieterstrom und Mietvertrag: Kopplungsverbot nach § 42a EnWG
- Vorsteuerabzug für Vermieter:innen: Neue Regeln bei Stromlieferungen und PV-Anlagen
- Vorsteuerabzug bei Heizungsanlagen im Zusammenhang mit Wärmelieferungen
- Die umsatzsteuerlichen Unterschiede zwischen Mieterstrom und Wärmelieferungen
- Vorsteueraufteilung bei BHKW mit Stromlieferungen und Wärmelieferungen
- Umsatzsteuer bei KWK-Vergütung?
- Unsere Einschätzung zu Stromlieferungen und Vorsteueraufteilung bei BHKW
- Kontaktformular
Das aktuelle Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 17. Juli 2024 (Az. XI R 8/21) klärt eine wichtige umsatzsteuerliche Frage für Vermieter:innen und auch für Mieter:innen: Handelt es sich bei der Lieferung von Mieterstrom um eine eigenständige Leistung oder lediglich um eine unselbstständige Nebenleistung der steuerfreien Wohnraumvermietung? Dies hat sowohl Bedeutung für die Umsatzversteuerung von Stromlieferungen als auch für den Vorsteuerabzug aus der Anschaffung der Erzeugungsanlagen. Letzteres insbesondere für Vermieter:innen, die in erneuerbare Energien investieren, wie z. B. Photovoltaikanlagen, insoweit nicht ohnehin der Nullsteuersatz nach § 12 Absatz 3 UStG anzuwenden ist.
Hier erfahren Sie, worum es in dem Urteil geht und welche Auswirkungen es auf die Praxis der Behandlung des Mieterstroms hat.
Mieterstrom und Umsatzsteuer: Stromlieferung über Photovoltaikanlagen für Mieter:innen
Im zugrunde liegenden Fall vermietete der Kläger Wohnraum und installierte Photovoltaikanlagen, um Strom für seine Mieter zu erzeugen. Die Mieter:innen konnten diesen Strom gegen Bezahlung des Vermietenden beziehen, wobei die Ermittlung des insoweit gelieferten Stroms für Abrechnungszwecke über individuelle Zähler erfolgte. Die zentrale Frage des Verfahrens war, ob diese Stromlieferung eine eigenständige umsatzsteuerpflichtige Leistung darstellt. Dies würde den Vorsteuerabzug der Anschaffungskosten der Photovoltaikanlage ermöglichen. Die Behandlung der Stromlieferung als unselbstständige Nebenleistung zur steuerfreien Wohnungsvermietung würde den Vorsteuerabzug hingegen ausschließen.
BFH-Urteil: Stromlieferung als eigenständige umsatzsteuerpflichtige Hauptleistung
Der BFH hat entschieden, dass die Lieferung von Strom eine eigenständige Leistung ist, die der Umsatzsteuer unterliegt und nicht von der Steuerbefreiung für die Wohnraumvermietung profitiert. Er erklärte zunächst, dass begleitende Leistungen grundsätzlich als Teil der Vermietung angesehen werden können, wenn sie wirtschaftlich eng damit verbunden sind und eine Einheit bilden. Im Fall der Stromlieferungen sah der BFH diese Voraussetzungen jedoch nicht als erfüllt an, sodass die Stromlieferung nicht als Teil der Vermietung gilt.
Mieterstrom und Mietvertrag: Kopplungsverbot nach § 42a EnWG
Ausschlaggebend war für den BFH unter anderem, dass die Stromlieferung unabhängig vom Mietvertrag erfolgte und die Mieter:innen grundsätzlich die Möglichkeit hatten, den Stromanbieter zu wechseln. Und nicht nur dass, § 42a Abs. 2 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) bestimmt ausdrücklich ein Kopplungsverbot von Miet- und Energieversorgungsvertrag. Nach § 42a Abs. 2 Satz 1 EnWG darf ein Vertrag über die Belieferung von Letztverbrauchern mit Mieterstrom nicht Bestandteil eines Vertrags über die Miete von Wohnräumen sein. Wird dagegen verstoßen, ist der Mieterstromvertrag nach § 42a Abs. 2 Satz 2 EnWG nichtig. Zudem wird Strom verbrauchsabhängig berechnet.
Vorsteuerabzug für Vermieter:innen: Neue Regeln bei Stromlieferungen und PV-Anlagen
Im Ergebnis war im vorliegenden Fall der Vorsteuerabzug aus den Aufwendungen für die Photovoltaikanlage gerechtfertigt. Dies bedeutet für Vermieter:innen: Die Umsatzsteuer aus der Anschaffung von Stromerzeugungsanlagen konnte somit als Vorsteuer abgezogen werden, da der Strom an die Mieter:innen umsatzsteuerpflichtig gegen Entgelt geliefert wurde. Durch die Einführung des Nullsteuersatzes bei PV-Anlagen bei begünstigten Gebäuden (z. B. Wohngebäude) ist die Thematik zukünftig bei PV-Anlagen lediglich für die Ausgangsleistungen Stromlieferungen relevant. Bei der Anschaffung von PV-Anlagen, bei denen nicht vom Nullsteuersatz profitiert werden kann und bei anderen Stromerzeugungsanlagen (z. B. Blockheizkraftwerken) bleibt dieses Thema allerdings weiter aktuell. Zumindest hinsichtlich der Stromlieferungen.
Vorsteuerabzug bei Heizungsanlagen im Zusammenhang mit Wärmelieferungen
Beim Erwerb und Betrieb von sogenannten Blockheizkraftwerken (BHKW) oder Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen (KWK) ist hingegen zu differenzieren, da Vermieter:innen neben der Stromlieferung auch Wärme an Mieter:innen liefern. Für Wärmelieferungen hatte der BFH mit Urteil vom 7. Dezember 2023 (Az. V R 15/21) entschieden.Lesen Sie hierzu auch unseren Beitrag zu Thema Kein Vorsteuerabzug aus Installationskosten einer Heizungsanlage bei Wohnraumvermietung.
Die umsatzsteuerlichen Unterschiede zwischen Mieterstrom und Wärmelieferungen
In diesem Fall ging es um den Vorsteuerabzug für eine neue Heizungsanlage. Der BFH entschied, dass Wärmelieferungen in direktem Zusammenhang mit der steuerfreien Vermietung stehen, da der Vermieter vertraglich zur Bereitstellung von Wärme verpflichtet ist. Diese Verpflichtung machte die Lieferung von Wärme zu einer unselbstständigen Nebenleistung zur Vermietung, wodurch ein Vorsteuerabzug aus dem Erwerb und der Installation der Heizungsanlage ausgeschlossen ist. Der entscheidende Unterschied zum Mieterstrom liegt in der rechtlichen Möglichkeit der Mieter:innen, den Stromanbieter zu wechseln. Somit bildet Strom, im Gegensatz zur Wärme im Regelfall, keine einheitliche Leistung zur Wohnungsvermietung.
Vorsteueraufteilung bei BHKW mit Stromlieferungen und Wärmelieferungen
Sofern aus den betreffenden BHKW sowohl Wärme als auch Strom an die Wohnungsmieter:innen geleistet wird, ergäbe sich dann der Frage nach der Aufteilung der Vorsteuerbeträge aus der Errichtung und dem Betrieb des BHKW, da ausgangsseitig eine steuerfreie Wärmelieferung und eine steuerpflichtige Stromlieferung erbracht wird. Legt man den Ansatz des BFH in seinem Urteil vom 16.11.2016 – V R 1/15 wäre das Verhältnis des mit dem Strom und der Wärme erzielten tatsächlichem oder anhand eines Marktpreises zu erzielenden Umsatzes maßgeblich (objektbezogener Umsatzschlüssel) maßgebend.
Umsatzsteuer bei KWK-Vergütung?
Bei Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen (KWK-Anlagen) ist aus umsatzsteuerlicher Sicht zu beachten, dass die KWK-Vergütung nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) nur dann eine umsatzsteuerpflichtige Leistung darstellt, wenn der Strom tatsächlich ins öffentliche Netz eingespeist wird. Hingegen sind Zahlungen für Strom, der erzeugt und vor Ort genutzt wird – also nur rechnerisch als eingespeist gilt –, nicht umsatzsteuerpflichtig. Lesen Sie dazu auch den Beitrag zum BFH Urteil zur Umsatzsteuer: Erzeugter und selbstverbrauchter Strom gilt nicht als Stromlieferung.
Unsere Einschätzung zu Stromlieferungen und Vorsteueraufteilung bei BHKW
Das BFH-Urteil vom 17. Juli 2024 bringt zunächst die erwartete Klarstellung, dass Stromlieferungen an Mieter:innen umsatzsteuerpflichtig sind. Damit ergibt sich eine Gleichbehandlung im Hinblick auf die an den Netzbetreiber oder Direktvermarkter physisch geleisteten Mengen, die unstreitig steuerpflichtig sind.
Bei der Anschaffung von PV-Anlagen und der Frage des Vorsteuerabzuges dürfte dieses Urteil aufgrund der Neueinführung des § 12 Absatz 3 UStG bei den begünstigten Gebäuden, wie auch bei der Wohnungsvermietung eher eine geringere Bedeutung spielen, als vor Einführung des Nullsteuersatzes zum 1.1.2023. Anders bei Stromlieferungen aus BHKW, da insoweit der Nullsteuersatz nicht gilt. Im Gegensatz dazu steht die Lieferung von Wärme, die eine Nebenleistung zur steuerfreien Wohnraumvermietung darstellt. Im Ergebnis muss in diesen Fällen eine Vorsteueraufteilung erfolgen.
Wir empfehlen Vermieter:innen, die Mieterstrom Energien planen, ihre Prozesse vor dem Hintergrund des jeweiligen Einzelfalles genau zu prüfen, um sicherzustellen, dass die umsatzsteuerlichen Vorgänge rechtssicher abgebildet werden. Dabei sind weitere Steuern, insbesondere die Einkommensteuer und die Stromsteuer mit in die Betrachtung einzubeziehen. Auch ist das konkrete Modell vor dem Hintergrund der Stromlieferungen zu prüfen, die nicht aus den Stromerzeugungsanlagen weitergeliefert werden, sondern vom jeweiligen Versorger der Vermieter:innen bezogen werden.
Bei Fragen zur steuerlichen Abbildung stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Wenden Sie sich dazu an unseren Rechtsanwalt und Steuerberater Tino Wunderlich.