
9. Juli 2025
Nachzahlungszinsen trotz langem Erbscheinverfahren: Keine steuerliche Gnade für Erb:innen
Inhaltsverzeichnis
- Wie kann ein Erbscheinverfahren zu einer verzögerten Steuerfestsetzung und damit zu Nachzahlungszinsen führen?
- Warum aus Sicht des Klägers die Nachzahlungszinsen erlassen werden sollten
- Warum sowohl aus Sicht des Finanzamts als auch des BFH die Zinsen trotzdem fällig sind
- Warum führt die fehlende Kenntnis der steuerlich relevanten Daten nicht zur Unbilligkeit der Zinsfestsetzung?
- Unsere Einschätzung: Komplexe Nachlasssituationen besser zeitnah abklären
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 09.04.2025 (Az. X R 12/21) entschieden, dass Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer auch dann rechtmäßig festgesetzt werden können, wenn die Erbfolge über Jahre hinweg ungeklärt war. In solchen Fällen kommt ein Erlass aus „billigen Gründen“ nicht in Betracht – selbst wenn der/die Steuerpflichtige faktisch keinen Zugriff auf die geerbten Vermögenswerte hatte.
Streit um die Erbschaft verzögert Steuerfestsetzung
Wie kann ein Erbscheinverfahren zu einer verzögerten Steuerfestsetzung und damit zu Nachzahlungszinsen führen?
Dem Urteil lag ein Fall zugrunde, der sich über viele Jahre hinzog: Der Erblasser verstarb im Jahr 2012 und hinterließ mehrere Testamente, deren Wirksamkeit später angezweifelt wurde. Die Erbfolge konnte daher lange nicht geklärt werden. Erst im Jahr 2018 stellte das Nachlassgericht fest, wer als Erb:in Anspruch auf das Vermögen hatte.
In der Folge rechnete das Finanzamt dem Kläger als Miterben verschiedene Einkünfte zu – u. a. aus Gewerbebetrieb, Vermietung und Kapitalvermögen – und erließ rückwirkend geänderte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2012 bis 2017. Diese Bescheide enthielten auch Nachzahlungszinsen nach § 233a Abgabenordnung (AO) – insgesamt mehr als 33.000 Euro.
Warum aus Sicht des Klägers die Nachzahlungszinsen erlassen werden sollten
Der betroffene Erbe beantragte daraufhin, sämtliche Nachzahlungszinsen zu erlassen, da die lange Verzögerung bei der steuerlichen Erfassung der Erbschaft nicht in seinem Verantwortungsbereich gelegen habe. Erst durch das späte Ende des Erbscheinverfahrens sei überhaupt klar geworden, wem welche Einkünfte zuzurechnen seien.
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Warum sowohl aus Sicht des Finanzamts als auch des BFH die Zinsen trotzdem fällig sind
Sowohl das Finanzamt als auch das Finanzgericht lehnten einen Erlass ab. Und der BFH bestätigte diese Einschätzung nun endgültig. Nach Auffassung des BFH kommt es nicht auf eine individuelle Schuld an der Verzögerung an. Vielmehr sei es typisch, dass sich durch die verspätete Steuerzahlung ein Liquiditätsvorteil für den:die Steuerpflichtige:n ergibt – und entsprechend ein Zinsnachteil für den Staat. Genau diesen Vorteil gleichen die Nachzahlungszinsen typisierend aus.
Auch wenn in der Praxis kein Zugriff auf das Erbe möglich war, ändert das nichts an der rechtlichen Betrachtung: Entscheidend ist allein, dass die Steuer zu spät gezahlt wurde – unabhängig davon, warum dies geschah.
Der BFH stellte zudem klar: Auch wenn ein Feststellungsbescheid erst Jahre nach dem Besteuerungszeitraum ergeht, beginnt die Verzinsung nach Ablauf der gesetzlichen Karenzzeit – das entspricht der ständigen Rechtsprechung.
Warum führt die fehlende Kenntnis der steuerlich relevanten Daten nicht zur Unbilligkeit der Zinsfestsetzung?
Der Kläger argumentierte, dass es ihm gar nicht möglich gewesen sei, vorzeitig Vorauszahlungen zu leisten oder Einkünfte zu schätzen, da die rechtliche Erbfolge lange unklar war. Der BFH wies jedoch auch dieses Argument zurück: Eine fehlende Kenntnis der steuerlich relevanten Daten führt nicht automatisch zur Unbilligkeit der Zinsfestsetzung.
Auch die Tatsache, dass der Nachlass während des Erbscheinverfahrens nicht genutzt oder verwaltet werden konnte, spiele keine Rolle. Die gesetzliche Regelung zur Verzinsung sei bewusst pauschal gefasst. Ausnahmen, die hier nicht vorlagen, seien nur in sehr engen Grenzen möglich.
Unsere Einschätzung: Komplexe Nachlasssituationen besser zeitnah abklären
Die Entscheidung zeigt deutlich, wie konsequent der BFH die gesetzlichen Vorgaben zur Verzinsung von Steuernachzahlungen auslegt. Auch äußere Umstände wie langwierige Erbverfahren schützen nicht vor Zinsen, selbst wenn Betroffene über Jahre keine Klarheit über ihre steuerliche Relevanz hatten.
Für Erb:innen ist es daher wichtig, frühzeitig steuerrechtliche Beratung einzuholen. Insbesondere bei komplexen Nachlasssituationen. Sobald die Beteiligung an einem Nachlass erkennbar wird, sollten etwaige steuerliche Verpflichtungen im Blick behalten werden, um spätere Belastungen durch Zinsen zu minimieren.
Zwar mag das Ergebnis im Einzelfall hart wirken – vor allem vor dem Hintergrund, dass der Zugriff auf Vermögenswerte über Jahre nicht möglich war. Dennoch bestätigt der BFH: Die Verzinsung soll generell für einen Ausgleich sorgen – unabhängig vom Einzelfall. Ein Billigkeitserlass bleibt damit die absolute Ausnahme. Wenn Sie Fragen zum Thema haben, wenden Sie sich vertrauensvoll an unseren Steuerberater Michael Simon.